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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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aufgeregtes Kommen und Gehen. Die Marschälle im Osten tönten von Verrat und Dolchstoß. Stauffenberg und Kameraden sollten froh sein, wenn sie nicht an die Wand gestellt und erschossen würden, dachte Krause. Aber das wäre ungerecht. Sie hatten den gordischen Knoten durchschlagen. Doch jetzt sollten die ans Ruder kommen, die etwas vom Handwerk verstanden, von der Politik und vom Krieg.
    Krauses Optimismus gewann die Oberhand über seine Angst. Was immer geschah, die WaffenSS stand treu zum Orden, auch wenn es in den letzten Jahren hin und wieder Zweifel daran gegeben hatte. Krause musste lachen über den Streit mit Offizieren der WaffenSS, die lieber Soldaten sein wollten als Krieger der Schutzstaffel. Jetzt waren einige Eliteeinheiten um die Hauptstadt herum aufgestellt worden, die Heimattruppen wurden verstärkt durch Verbände, die aus ruhigen Frontabschnitten herausgezogen wurden. An Verkehrsknotenpunkten der Innenstadt standen Panzer.
    Hitlers Tod wirkte bereits. Die Ostfront setzte sich unter dem Druck der sowjetischen Großoffensive ab und leistete hinhaltenden Widerstand. Jetzt galt die Devise, die Fronten so kurz wie möglich zu halten. So konnten Einheiten als Reserven zurückgezogen werden, um durchgebrochene feindliche Verbände zu vernichten. »Schlagen aus der Nachhand«, so nannte es der große Stratege, den Hitler vor kurzem abgeschoben hatte: Erich von Manstein, Urheber des Geniestreichs, der den Triumph über Frankreich gebracht hatte, Sieger von Sewastopol und auf der Krim. Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, wegen seiner Unterwürfigkeit gegenüber Hitler auch »Lakeitel« genannt, der große Feldmarschall traute sich nun nicht mehr zu befehlen, Stellungen müssten um jeden Preis gehalten werden. Die Chefs der Heeresgruppen an der Ostfront verlangten Keitels Rücktritt. Stattdessen sollten zwei Oberbefehlshaber eingesetzt werden, einer für die Ostfront und einer für den Westen und den Süden. Die Feldmarschälle forderten Manstein für den Osten und Rommel, sobald er genesen wäre, für den Westen und den Süden. Die Oberbefehlshaber sollten Handlungsfreiheit besitzen. Unter dieser Voraussetzung seien die Heeresgruppen bereit, sich dem Feldmarschall von Witzleben zu unterstellen, den die Putschisten um Beck und Stauffenberg zum obersten Wehrmachtsoldaten befördern wollten.
    Es war ein gigantisches Durcheinander. Jeder wollte alles, und keiner wollte etwas geben. Wenn die SS sich nicht auf die Seite der Putschisten stellte, würden diese zerrieben zwischen den Mächtigen des Dritten Reichs. Und die SS selbst hätte sie am Ende alle gegen sich und würde unterliegen. Es war ja nicht so, dass Himmler überall nur Freunde hatte. Die Aufräumarbeiten im Osten, die Massenerschießungen hatten manchen feinen Herren nicht pläsiert. Wie oft hatte der Führer erklärt, der Krieg gegen die Sowjetunion sei ein Rassenkrieg, ein Ausrottungskrieg, ein Weltanschauungskrieg, in dem der Bolschewismus vom Erdboden getilgt werden müsse. Wie sollte man den Bolschewismus vernichten, wenn man seine Träger nicht umbrachte, die Juden vor allem? Krause erinnerte sich gut an die Klagen von Führern der Einsatzgruppen, die das Vernichtungswerk vollbrachten, dass sie diese Zusammenhänge Wehrmachtoffizieren immer und immer wieder bewiesen hätten. Und doch gab es einige, die nicht begreifen wollten, was klar auf der Hand lag. Schaut sie euch doch nur an, die jüdischen Fratzen der Kommissare und Partisanen. Viele Offiziere brauchten eine Weile, bis sich ihre Hirne auf die neuen Aufgaben einstellten. Manche kapierten es nicht oder wollten es nicht kapieren. So ein Weltanschauungskrieg Rasse gegen Rasse ist was anderes, als hoch zu Ross durch Frankreich zu reiten. Dass Menschen so begriffsstutzig sein können. Wir sind doch keine Mörder. Im Gegenteil, wir leisten der Menschheit einen Dienst. Niemand liebt die Menschen mehr als wir. Krause dachte an seine Frau, an seine zweijährige Tochter, eine glücklichere Familie als sie konnte es kaum geben; er hatte sie auf dem Land in Sicherheit gebracht. Sie waren keine Schlächter, sondern erledigten eine hygienische Aufgabe. Sie waren die Ungeziefervertilger des zwanzigsten Jahrhunderts.
    Das Telefon klingelte, seine Sekretärin. »Der soll mich in Ruhe lassen«, sagte Krause. Wieder einer, der wissen wollte, wie es weiterging. Er wusste es doch selbst nicht.
    Dann griff er zum Hörer und wies seine Sekretärin an, sie solle dafür sorgen, dass Fritz in

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