Der 26. Stock
ihr und winkte seinerseits ab, als die Rede auf sein Privatleben
kam: »Alles beim Alten.« Seine Kollegin bohrte nicht nach, und er war ihr dankbar dafür. Alicia legte den Mantel ab und zeigte
auf das andere Ende des Großraumbüros.
»Der Chef wollte unbedingt, dass ich Innendienst mache, bis das Baby da ist. Er sagt, ein Kind aus der Truppe hätte nur das
Beste verdient.« Márquez nickte. Eine der typischen Aufmerksamkeiten von Kommissar Torres. So wie er den Stapel Dienstbeschwerden,
auf denen der Name Márquez stand, geflissentlich übergangen und ihn zum Inspektor befördert hatte. »Jetzt sitze ich da drüben
und recherchiere alles Mögliche für unsere Jungs und Mädels. Also, wenn du was brauchst – außer Sex, meine ich –, dann weißt du, wo du mich finden kannst.«
Damit wandte sich Alicia zum Gehen. Sie hatten vor langer Zeit nach einer langen Nacht auf Streife und ein paar Drinks etwas
herumgeknutscht, aber der Kuss hatte nach nichts geschmeckt, und sie sahen ein, dass sie wohl besser gute Freunde blieben.
Márquez konzentrierte sich wieder auf seine Liste. Aber damit würde er wohl nicht weiterkommen. Besser, er versuchte es auf
einem anderen Weg. Er zog den Zettel aus der Tasche, auf den Isabel Alvarado das Kfz-Kennzeichen notiert hatte, das angeblich
auf dem Foto zu sehen war. Zwei Männer, einer davon in Polizeiuniform, ein dritter am Boden liegend. Daneben ein Streifenwagen
und im Hintergrund der Büroturm. Márquez gab das Kennzeichen ein und wartete einen Moment.
Polizeihauptdirektion 1334 G / Wagentyp – Citroën Xsara
Anschaffungszeitpunkt: Dez . 2002
Ausgemustert: Jan . 2005
Fuhrpark: Bezirk Nord – Kommissariat Nord
(Für eine Liste der Einsätze klicken Sie bitte hier.)
Der Polizist runzelte die Stirn. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der Wagen bereits ausrangiert worden sein könnte. Das
hieß, dass die Aufnahme älteren Datums war. Außer das Auto wäre nicht verschrottet worden, nachdem man es aus dem Verkehr
gezogen hatte. Aber in dem Fall musste jemand die Kennzeichen unterschlagen haben, was ein schweres Vergehen dargestellt hätte.
Márquez klickte auf die Einsatzliste, und vor seinen Augen erschien ein ellenlanges Register mit Daten und Uhrzeiten der Fahrten.
In der Namensspalte tauchten in der Regel die Namen der beiden Beamten auf, die den Wagen zu einem Einsatz mitgenommen hatten.
Márquez schwante, dass er dabei war, die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu suchen. Da standen Hunderte von Namen, und
er hatte keine Ahnung, wann die Aufnahme gemacht worden sein sollte, von der Isabel ihm erzählt hatte. Er rieb sich die müden
Augen und tat, was seine Mutter ihm immer geraten hatte. Er fing oben in der Liste an. Ein Eintrag reihte sich an den nächsten,
ohne alphabetische Ordnung, strikt nach Dienstplan des jeweiligen Tages. Alle sechs Monate wurde der Wagen gewartet, und dann
ging es von vorne los. Márquez brannten die Augen. Er würde nichts finden.
Etwa vierzig Minuten waren vergangen, da merkte er, dass er schon mehrmals über etwas hinweggelesen hatte: Die Namen Pablo
Estella und Ramiro de Andrés standen am häufigsten auf der Liste. Manchmal zusammen, manchmal auch mit anderen Beamten. Auf
dem Foto war Isabel zufolge nur ein Polizist zu sehen. Vielleicht war es einer der beiden. Der Inspektor stand auf und ging
hinüber zum Tisch seiner Kollegin. Alicia sprach gerade mit einer Farbigen, die nervös an ihrer roten Latexhandtasche herumnestelte.
»Entschuldigen Sie mich kurz«, unterbrach Alicia das Gespräch. Sie stand auf und trat zu ihrem ehemaligen Partner. Die Frau
blieb stumm sitzen.
»Wie findest du das? Die Dame hat eine fünfzehnjährige Tochter, die mit einem Nachbarn durchgebrannt ist, und jetzt soll ichdie Kleine finden. Die Ärmste, in einigen Monaten kommt das Mädchen mit einem Kind auf dem Arm wieder, und der Typ ist für
immer verschwunden. Na ja. Worum geht’s denn, Herr Inspektor?«
»Sagen dir die Namen Pablo Estella und Ramiro de Andrés etwas?«, fragte Márquez.
Die Frau kratzte sich am Kopf, während sie beobachtete, wie zwei Polizeibeamte auf die Wache kamen, im Schlepptau einen Jungen
in Handschellen, der sich in ihrem Griff wand und versuchte, sich loszureißen.
»Sind die nicht mal als Vorgruppe der Bee Gees aufgetreten?« Márquez lächelte nicht, obwohl ihm die Ironie seiner Kollegin
wirklich gefehlt hatte. »Nein, Quatsch beiseite, die sagen
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