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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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Isabels Zimmer blieb er stehen und atmete tief ein. Er konnte den Duft ihrer Haut riechen. Er fühlte sich wie ein Wolf,
     der dem Blut eines verwundeten Beutetiers hinterherspürt. Bald würde er sie an seiner Seite haben und so lange über sie verfügen
     können, wie er wollte. Er hatte befürchtet, dass Isabel Einwände gegen ihre Tätigkeit haben könnte, aber das hatte sich als
     falsch erwiesen. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sie etwas in den Rechner eingab. Für einen Sekundenbruchteil war
     ihm, als hätte er Mitleid mit ihr. Gaardner ging bis ans Ende des Flurs. Während er darauf wartete, dass ein Aufzug kam, machte
     er einen Schritt auf den Springbrunnen zu. Etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt.
    An der Wasseroberfläche trieb ein kleiner silbriger Fisch mit dem Bauch nach oben. Gaardner betrachtete ihn und lächelte.
     Es wunderte ihn nicht, festzustellen, dass es der Fisch war, der seinen Namen trug. Vielleicht war es nur ein Zufall, oder
     einer seiner Mitarbeiter hatte sich einen blöden Scherz erlaubt, aber wenn da jemand glaubte, ihm würde so etwas nahegehen,
     dann hatte er sich getäuscht. Mit Daumen und Zeigefinger packte er den kleinen
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bei der Schwanzflosse, zog ihn aus dem Wasser, machte den Mund auf und schluckte ihn hinunter.
    Während er in den Aufzug stieg, dachte er, wie seltsam es doch war, sich selbst zu schmecken. Als sich die Türen schlossen,
     hörte er über sich einen Signalton. Überrascht sah er nach oben. Anscheinend hatte soeben noch ein Aufzug im 26.   Stock gehalten. Einer seiner Leute musste etwas vergessen haben.
     
    »Du scheinst dir ja sehr sicher zu sein, dass Isabel da drin ist.«
    Zac nickte und warf einen Blick auf den Turm. Der Vollmond stand schon früh am Himmel und warf sein Licht auf die oberen Stockwerke,
     die hinter der weiß glitzernden Glasfront verborgen lagen.
    »Wenn sie nicht hier ist, dann weiß ich auch nicht. Wir müssen tun, was wir können.«
    Márquez sah auf die Uhr. Ein seltsamer Gedanke kam ihm in den Sinn. Wenn seine Frau ihn nicht verlassen hätte, wenn sie nicht
     seine Tochter mitgenommen hätte, dann wäre er jetzt wohl gerade dabei, die Kleine ins Bett zu bringen oder ihr vor dem Schlafengehen
     eine Gutenachtgeschichte vorzulesen. So stand er vor dem Eingang zum Turm. Vieles passte noch nicht recht zusammen. Den ersten
     Unsicherheitsfaktor hatte er direkt vor sich – Zac. Ja, Zac war mit Carlos befreundet, aber nur wenige Leute riskierten für
     ihre Freunde Kopf und Kragen.
    Das Komische war, dass er das gar nicht für ihn tat, sondern für seine Freundin oder eine Freundin von ihm oder was Isabel
     auch sein mochte. Und es war noch nicht mal garantiert, dass sie die Frau hier finden würden. Das war nur eine Möglichkeit.
     Márquez wäre gerne sichergegangen, dass Zac sich darüber im Klaren war, zog es dann aber doch vor zu schweigen. Zac war von
     der Aktion überzeugt, er brannte geradezu darauf, in den Turm einzudringen, und er hatte den Coup offenbar genauestens geplant.
     Auf einmal wurde Márquez ein kleines Problem bewusst, und er drehte sich zu Zac um und sah ihm ins Gesicht.
    »Du hast gesagt, wenn du fertig bist, rufst du mich auf dem Handy an, ja?« Zac nickte, ohne die Metallschranke zur Tiefgarage
     aus den Augen zu lassen, die jederzeit aufgehen konnte.»Und wie willst du das anstellen, wenn du meine Nummer gar nicht hast?«
    »Du unterschätzt meine Freunde, Inspektor«, gab Zac spöttisch zurück. »Wenn ich mir eine Skizze vom Turm, eine I D-Card , die Uniformen und alle sonst nötigen Infos beschaffen kann, warum sollte ich mir dann nicht auch deine Nummer besorgen können?
     Wie gesagt, in eine Bar kommen viele Leute, und man freundet sich mit allen möglichen Zeitgenossen an.«
    Márquez war nicht daran gewöhnt, dass ihm jemand auf seinem Gebiet etwas vormachte. Er wollte schon weitere Einwände erheben,
     doch in dem Moment zeigte Zac nach vorne.
    »Schau mal, genau, was ich dir gesagt habe.«
    Márquez drehte sich um. Die Schranke ging hoch. Ein kleingewachsener Mann stapfte schweren Schrittes darunter hindurch und
     die Rampe hoch zum Gehsteig. Als er die großen Container fast erreicht hatte, beugte sich Zac zu Márquez.
    »Auf geht’s. Tu so, als würdest du gerade aus dem Turm kommen. Der Typ ist neu, der kann dich also gar nicht kennen. Aber
     wenn du reingehst, denk dran – die Überwachungskamera ist rechts an der Rampe.«
    Márquez machte eine zustimmende Geste. Dann stiegen

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