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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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in der kleinen Wohnung eingeschlafen. Und sie   … sie hatte auch nicht durchgehalten. Mitten in ihrer Wache hatte Vera die Augen zugemacht und war erst Stunden später aufgewacht,
     weil der Wind ums Haus pfiff. Sie war so müde   … Müde von den zwei Wochen auf der Flucht, von den Tagen inmitten der Menschenmengen im Zentrum, wo sie hoffte, dass er sie
     nicht finden würde. Aber das konnte nicht ewig so weitergehen. Sie wusste das, und sie wusste auch, dass es nur einen Weg
     gab, die ganze Geschichte zu beenden, ohne dass ihre Töchter für ihre, Veras, Schuld büßen mussten. Alles andere würde nichts
     nützen. Das erste Hupen riss sie aus ihren Gedanken. Sie sah auf. Die Ampel musste schon seit einigen Sekunden auf Grün stehen.
     Sie war hundemüde.
    Eines aber hatte sich verändert: Die Angst hatte sich in etwas anderes verwandelt. In Entschlossenheit vielleicht. Am Vortag
     hatte sie ihre Entscheidung dem einzigen Menschen mitgeteilt, der ihr noch zu helfen schien. Sie hatte ihn um einen Gefallen
     gebeten, und er hatte angenommen. Wenn es so weit war, würde sie ihn nur anrufen müssen. Er würde ihr ein weiteres Mal helfen.
     Vielleicht zum letzten Mal.
    Das Parkhaus des Einkaufszentrums war fast voll belegt, wie an einem Samstagmorgen nicht anders zu erwarten. Vera parkte,
     warf Cass einen aufmunternden Blick zu und sah sich dann nach ihren Töchtern um. Sie schliefen auf dem Rücksitz. Sie hatten
     ihren Vater nicht noch einmal erwähnt. Vera vermutete, dass Clara ihrer kleinen Schwester eingeredet hatte, der Mann sei nicht
     ihr Vater gewesen, weil sie keinen weiteren Ärger wollte. Aber Clara selbst, glaubte sie das auch? Zwei oder drei Blicke im
     Laufe des Tages hatten eine andere Sprache gesprochen.
    In der Nacht zuvor hatte sie einmal mehr darum gebetet, dass die beiden das Geschehene eines Tages würden vergessen können,
     aber ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr, je mehr Tage vergingen, desto schwieriger würde es sein, zur Normalität zurückzufinden.
    Als sie schließlich in der Cafeteria vor ihrem Frühstück saßen, nahm Vera eine Serviette, beschrieb sie und hielt sie Cass
     hin.
     
    Den beiden geht’s wirklich nicht gut. Weiß nicht, wie lange sie das noch durchhalten.
     
    Cassandra warf ihr einen besorgten Blick zu. In ihren Augen stand geschrieben, was sie ihr schon mehrmals gesagt hatte: Wenn
     ich etwas tun kann   … »Nein«, hatte Vera geantwortet, »momentan nicht.« Ein Junge rannte an der Hand seines Vaters den Gang entlang. Mehrere Personen
     drehten sich um, neugierig, was dahinten los war. Ana stand auf und trat ans Fenster. Eine große Menschentraube hatte einen
     Kreis gebildet. Schellenklänge drangen an ihr Ohr. Jungen und Mädchen kamen aus den Läden gelaufen, ihre Eltern oder älteren
     Geschwister im Schlepptau.
    »Was ist denn da, Mama?«, fragte Ana. Sie stand auf Zehenspitzen am Fenster und versuchte, etwas zu erkennen.
    »Weiß nicht. Komm, du bist noch nicht mit deinem Frühstück fertig.«
    »Ich will aber   …«
    Vera achtete nicht darauf, dass die Kleine sich beschwerte. Clara hatte nicht von ihrem Orangensaft aufgesehen.
    »Mama, ich will schauen   …«, wiederholte Ana, die inzwischen wieder auf ihrem Sitz saß. Vera antwortete nicht. Sie hatte keinen Nerv für Anas Gequengel.
     Sie wünschte sich wie nie, dass Ana endlich Ruhe gäbe. »Mama, bitte   …«
    »Iss bitte auf.«
    »Aber ich hab keinen Hunger!«, protestierte die Kleine. Ein Trommelwirbel von draußen ließ sie herumfahren. Das Gelächter
     des Publikums drang bis in die Cafeteria. »Ich will raus   …«
    »Jetzt gib endlich Ruhe und iss!«
    Die Kleine erstarrte, als sähe sie ihre Mutter zum ersten Mal. Dann nahm sie das halbe Croissant und führte es zum Mund. Ihre
     Lippen bebten. Clara hatte plötzlich aufgeblickt und sah ihre Mutter an. Sogar Cass schien etwas gehört zu haben. Da begriff
     Vera, dass sie Ana noch nie so angeschrien hatte. Die Kleine war erst sieben, kein Wunder, dass Ana aufschluchzte. Sie biss
     in das Croissant, hörte aber nicht auf zu weinen, sie verschluckte sich und musste husten. Vera nahm ihr das Croissant ab,
     stand auf und hockte sich neben sie. Sie wollte die Kleine auf die Stirn küssen, doch Ana wandte sich ab.
    »Tut mir leid, Schatz. Entschuldige, dass ich dich angeschrien habe.«
    »Ich wollte doch bloß   …«, setzte sie an und schluckte, um weitersprechen zu können, »ich wollte doch bloß schauen.«
    »Wir gehen gleich, ja?

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