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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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er auch keinen Rat wusste.
    »Ehrlich gesagt war ich nur einmal bei euch auf der Etage, und das war zu dem Vorstellungsgespräch bei dir«, erklärte Carlos.
     »Am Anfang war ich im vierten Stock, als Sachbearbeiter für Krankenversicherungen. Dann wurde ich in den zehnten Stock zu
     den Fernsehsendern versetzt. Das war ein Schreibtischjob und bei weitem nicht so interessant, wie man meinen könnte. Die Studios
     sind außerhalb, und da haben sie mich kein einziges Mal hingeschickt.«
    »Und jetzt bist du wieder woanders?«, fragte Isabel. »Früher wurde man bei uns nicht so oft versetzt.«
    »Ja, das habe ich auch gehört. Ich arbeite jetzt im 21.   Stock, beim Export.«
    Isabel runzelte die Stirn, versuchte aber schnell, ihre Reaktion zu überspielen. Sie hoffte, dass Carlos es nicht bemerkt
     hatte. Dem Ton nach, in dem er davon berichtet hatte, schien er sich dessen nicht bewusst zu sein, aber so rasch in ein so
     hohes Stockwerk befördert zu werden, bedeutete einen steilen Aufstieg. Im Konzern galt immer noch die Regel, je höher das
     Stockwerk, desto wichtiger, zumindest was die einfachen Angestellten betraf. Jemand, der im zwanzigsten Stock arbeitete, verdiente
     womöglich nicht so viel wie ein Teamleiter im fünfzehnten Stockwerk, aber garantiert mehr als jeder normale Angestellte in
     den unteren Etagen. Isabel selbst war ein Sonderfall, weil sie darauf verzichtet hatte, befördert zu werden, um ihre für sie
     sehr befriedigende Tätigkeit fortführen zu können. Jedoch war bei ihr das erste Angebot später gekommen als bei Carlos. Man
     hielt offenbar große Stücke auf ihn.
    Nachdem sie noch ein wenig über die Hintergründe des Meetings spekuliert hatten, kamen sie zu dem Schluss, Isabel solle am
     besten ihr Gespräch mit Vera am nächsten Tag abwarten und versuchen, von Hernán eine Erklärung für seine Abwesenheit zu erhalten.
     Anschließend sprachen sie über Privates. Carlos beschrieb ihr das kleine Apartment, das er für nicht allzu teures Geld gemietet
     hatte, um bei seinen Eltern ausziehen zu können. Isabel vertraute ihm an, dass sie keine Eltern mehr hatte. Zuerst war ihrVater bei diesem verdammten Unfall gestorben, dann die Mutter, die den Tod ihres geliebten Mannes nicht verwunden hatte.
    »Und so wohne ich jetzt mit meinem Bruder zusammen«, erklärte Isabel. »Bei dem Unfall, bei dem mein Vater ums Leben gekommen
     ist, hat Teo einen irreparablen Hirnschaden davongetragen; er war damals fast noch ein Baby. Er ist in seiner Entwicklung
     nicht stark zurückgeblieben, aber als Kind haben sie ihn in der Schule immer links liegen lassen. Seit wir in Madrid leben,
     besucht er eine Sonderschule und macht große Fortschritte. Teo hat sogar einen Job.«
    »Ja? Das ist ja klasse. Wo arbeitet er denn?«
    Isabel gefiel die Art, wie Carlos fragte. Man konnte sie kaum mit gespielter Begeisterung täuschen, das brachte ihr Job mit
     sich. Carlos freute sich tatsächlich über das Glück ihres Bruders, und sein Interesse schien offen und ehrlich zu sein.
    »Er arbeitet bei einer Reinigungsfirma. Bei der, die jeden Abend unsere Büroräume sauber macht. Sein Chef und seine Kollegen
     schätzen ihn sehr.«
    Carlos zog amüsiert die Brauen hoch.
    »Dein kleiner Bruder putzt also dein Büro! Dann hoffe ich nur, dass du ihm manchmal sein Zimmer aufräumen hilfst!«
    Sie lachten. Isabel sah auf die Uhr und traute ihren Augen nicht. Sie waren schon über zwei Stunden hier! Die Kneipe hatte
     sich allmählich geleert, und jetzt saßen nur noch drei Pärchen im Halbdunkel.
    »Carlos, ich glaube, ich muss jetzt gehen. Wenn mein Bruder heimkommt und ich bin nicht da, bekommt er einen Mordsschreck.
     Außerdem müssen wir morgen wieder fit sein.«
    Sie lachten wieder, und Isabel zog Mantel und Schal über, während Carlos sich vom Wirt verabschiedete. Neben ihm stand jetzt
     eine deutlich jüngere Frau im Trägertop, das ihre Brüste betonte.
    »Das war Zacs Frau Angie«, erklärte Carlos, als sie das Lokal verließen. »Beim nächsten Mal stelle ich dir die beiden vor.
     Also   … wenn du überhaupt noch mal herkommen willst.«
    Isabel lächelte und setzte wortlos den Helm auf.
     
    »Also«, sagte Carlos eine halbe Stunde später lächelnd zum Abschied, »wenn du etwas brauchst – du weißt ja, wo du mich abends
     findest.«
    Doch Isabel wollte es nicht dem Zufall überlassen, ihn an der Tankstelle zu treffen, um wieder etwas mit ihm zu unternehmen.
     Sie kramte in ihrer Tasche nach einem kleinen

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