Der 26. Stock
ließen den Wagen auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums stehen und schlenderten los. Er zog sie näher an sich, und sie
widersetzte sich nicht. Vor einem Juwelierladen blieben sie stehen. In aller Ruhe besah er sich die wertvollen Auslagen im
Schaufenster, bis sein Blick an etwas hängen blieb.
»Gefallen dir die Ohrringe da?«, fragte er.
Sein Finger zeigte auf ein Paar glitzernde Amethyst-Ohrringe mit drei eingefassten Diamanten. Isabel schüttelte den Kopf.
»Die sind wunderschön, aber ich werde sie mir niemals leisten können.«
Gaardner konnte sich ein Lachen kaum verkneifen. Er hatte diese Reaktion vorausgesehen. Die Ärmste hatte noch immer nicht
begriffen, dass Geld keine Rolle mehr spielte.
»Isabel, ist dir eigentlich klar, dass du mich noch gar nicht nach deinem neuen Gehalt gefragt hast? Glaub mir, du wirst dir
solche Sächelchen öfter leisten können, als du denkst. Aber das hier wird jetzt erst mal mein Willkommensgeschenk.«
Gaardner betrat den Laden und kaufte die Ohrringe, als wäre es das Normalste von der Welt. Er forderte Isabel auf, sie anzuprobieren;
Isabel aber bestand zunächst darauf, dass sie das Geschenk nicht annehmen könne, und tat es dann doch. Gaardner genoss jede
Sekunde.
Im schicksten Bekleidungsgeschäft der Innenstadt half er ihrein Kleid aussuchen. Als Isabel aus der Umkleide kam, war ihr der Wunsch anzumerken, er möge billigen, was er da sah. Schließlich
erklärte er sich mit einem apfelgrünen Abendkleid einverstanden. Er sah den Moment schon vor sich, wie er den langen Reißverschluss
herunterzog und Isabel von dem luftigen grünen Stoff befreite, wie er sie entkleidete und spürte, dass ihr schmaler Körper
unter seinem Gewicht erbebte. Er würde sie beherrschen, wie er sie jetzt schon beherrschte. Er lächelte. Nach einer Weile
setzten sie sich in ein Café. Isabel warf einen Blick auf die Tüten, hob ihr Glas und zwinkerte ihm zu. Sie hatte alles andere
vergessen. Es gab nur noch sie und ihn.
»Ich würde gerne Japanisch essen«, sagte sie. »Wenn wir weiter ins ›Babel‹ gehen, werde ich noch ein richtiger Fan.«
»Ich kenne ein gutes Lokal hier in der Nähe. Wollen wir auf dem Weg in den Turm dort vorbeifahren und was zum Mitnehmen bestellen?«
»Ja, klasse!«
Im Restaurant warteten sie einige Minuten, dann übergab ein Kellner ihnen zwei Tabletts mit diversen Tempura und Sashimi,
und sie fuhren zum Turm weiter.
»Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich an einem Samstag herkomme«, bemerkte Isabel, während sie die Rampe zur Tiefgarage
hinunterfuhren.
Die Wachleute begrüßten Gaardner ehrerbietig. Er war überrascht zu sehen, dass zwei Männer dastanden und nicht, wie sonst,
nur einer. Das unterste Parkgeschoss war leer. Gaardner stellte den Wagen auf den nächstbesten Stellplatz und stieg aus, die
Tüten mit den Einkäufen und dem Essen unterm Arm.
»Wahrscheinlich wärst du an einem freien Tag ohne Sondergenehmigung gar nicht reingekommen. Außer dem Vorstand und den Abteilungsleitern
genießen nur sehr wenige dieses Privileg. Dein Freund Hugo zum Beispiel kann das Gebäude betreten, wann es ihm beliebt.«
»Von dem habe ich seit Tagen nichts mehr gehört«, sagte Isabel.
»Wirklich?«
Gaardner steckte seine I D-Card in den Schlitz und wartete, dass der Aufzug kam. Isabel verharrte schweigend, und er wusste das zu schätzen. Auch er hatte
Hugo länger nicht gesehen. Gut möglich, dass seine Stunde null bereits geschlagen hatte. Anscheinend ging das allen so. Er
würde sich für Isabel keine Ausrede ausdenken. Im Grunde war es sowieso egal. Jeder musste sich seinem eigenen Schicksal stellen.
Er aber war intelligent genug gewesen, sich einen Rettungsring zu besorgen – einen mit Diamanten. Schließlich war er Apolo,
der Gott der Schönheit und des Wissens. Gaardner lächelte in sich hinein. Als die Türen sich zum 26. Stock öffneten, fiel ihm gleich auf, dass es anders roch als sonst. In den Jasminduft mischte sich ein durchdringenderes Aroma.
Er sah sich in dem Vorraum um. Etwas war hier anders.
»Was ist denn das?«
Isabel betrachtete neugierig drei durchsichtige Behälter, die an der Wand aufgereiht waren. Zwei davon rosa, einer dunkelgelb.
Sie trat näher und las die Etiketten.
»Desinfektionsmittel. Muss wohl von der Putzmannschaft sein.«
Gaardner war als Letzter gegangen, und da hatte das Zeug noch nicht hier gestanden. Die Sache gefiel ihm überhaupt nicht,
zumal er zu keinem
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