Der 26. Stock
er, dass
seine Sorge begründet war: Das Sicherheitsschloss an der Metalltür war verschwunden. Jemand musste es abgenommen haben. Gaardner
knallte die Tür zu. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Niemand durfte sie öffnen. Sie hatten ihn gewarnt. Sie hatten ihm eine
Nachricht mit dieser eindeutigen Anweisung zukommen lassen. Sie, die gesichtslosen Bewohner der obersten Etage, die Mitglieder
des Vorstands. Seitdem hatte niemand die Tür geöffnet, bis jetzt. Er hatte sie mit einem Vorhängeschloss gesichert. Gaardners
Hand blieb auf der Klinke liegen. Er musste einen Weg finden, die Tür geschlossen zu halten. Vergeblich sah er sich um. Unter
wachsender Anspannung ging er bis zur Putzkammer. Als er den Kopf hineinsteckte, sah er, dass jemand noch zwei weitere Behälter
mit Desinfektionsmittel dort abgestellt hatte. In einem Regal fand er eine lange Kette. Die würde es tun, bis er etwas Besseres
hatte.
Er ging zurück zu der Metalltür und verharrte dort. Eine innere Stimme riet ihm, sie aufzumachen und einen Blick auf die andere
Seite zu werfen. Niemand hatte ihm mitgeteilt, was das sollte, dass diese Tür den Zugang zur Feuertreppe verstellte. Vor ein
paar Wochen hatte er eines Morgens eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter vorgefunden, dazu die frisch installierte Metalltür.
Er hatte nicht nachgefragt. Das tat er grundsätzlich nicht, wenn Weisung von oben kam. Am Ende bekämpfte er seine Neugier
und zwang sich, die Kette anzubringen, so gut es ging. Dann trat er wieder auf den Gang. Er hatte keine Zeit zu verlieren.
Später würde er beim Sicherheitsdienst anrufen, um in Erfahrung zu bringen, wer sich an der Tür zu schaffen gemacht hatte.
Jetzt musste er sich erst mal um seine eigenen Angelegenheiten kümmern.
»Zeigst du mir dein altes Büro?«, fragte er, als er in den blauen Raum zurückkehrte.
Isabel sah von ihren neuen Schuhen auf.
»Ich denke, das wird wohl schon jemand anderem zugeteilt worden sein. In dem Fall wäre es nicht richtig, es zu betreten.«
»Kann sein«, erwiderte Gaardner, »aber heute wird es niemand mitbekommen, wenn wir uns diesen kleinen Normverstoß leisten.
Gehen wir?«
Isabel lächelte und nickte. Er half ihr mit den Tüten, und sie gingen wieder zum Aufzug. Als sie Isabels altes Büro erreichten,
fanden sie es offen vor. Gaardner registrierte, dass der Vanilleduft verschwunden war, genau wie die Erinnerung an Teo. Isabel
setzte sich sorglos in ihren alten Schreibtischsessel. Sie schien nicht gerade Sehnsucht nach ihrem früheren Arbeitsplatz
zu haben. Eine Stunde später lagen die leeren Tabletts vom Essen auf dem Tisch, und Isabel döste entspannt in ihrem Sessel
vor sich hin. Gaardner beobachtete sie einmal mehr. Seine kleine Trophäe. Er fühlte sich auf einmal wieder selbstsicher genug,
um ebenfalls die Augen zu schließen und einzunicken. Aber es wurde kein friedlicher Schlaf. In Gaardners tiefstem Inneren
wachte sein Selbsterhaltungstrieb und verlangte, dass er fliehen sollte. Ein paar Stockwerke über den beiden schaltete sich
automatisch das Licht ab. An der Oberfläche des Springbrunnens, in dem kein Fisch mehr schwamm, spiegelten sich sechs weiß
glänzende Ziffern und setzten den Countdown fort. Apolos Stunde rückte näher.
04:39:07
Vera starrte auf die geschlossene Tür zum Büro des Geschäftsführers. Drinnen führten die hingezogenen Polizeibeamten eine
erregte Diskussion. Sie wusste nicht, was sie sagen würden, aber festhalten konnten sie sie wohl kaum. Früher oder später
musste man sie gehen lassen, und dann würde sie ihren Plan in die Tat umsetzen. Ein Arzt war gerufen worden, der das Kind
untersuchen sollte. Es schien alles in Ordnung zu sein. Die Schwellung würde sich legen und keine bleibenden Spuren hinterlassen.
So stand es im Diagnosebericht des Arztes für die Polizei: Prellungen im Gesicht aufgrund von Schlägen.
Die Tür ging auf. Einer der Polizeibeamten bat Vera herein.
Sie stand auf und strich ihrer Tochter über die unverletzte Wange. Clara wich vor der Berührung nicht zurück.
»Nehmen Sie Platz«, forderte sie der Polizist auf, der offenbar das Sagen hatte. Er saß auf dem Stuhl des Geschäftsführers.
Sein Kollege stand und musterte Vera. »Also, wir haben Ihre Angaben überprüft, und es stimmt, dass Ihr Mann an einem Infarkt
gestorben ist. Trotzdem beharrt Ihre jüngere Tochter darauf, sie und ihre Schwester seien mit ihrem Vater zusammen gewesen.
Ich frage Sie
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