Der 26. Stock
Isabel und stand auf.
Lara nickte verständnisvoll und zuckte dann mit den Schultern.
»Ich weiß leider nicht, wem man meine bisherige Stelle geben wird, Isabel.«
Sie lächelte und ein alter Spruch kam ihr in den Sinn: Man soll nicht von sich auf andere schließen. Sie machte sich Sorgen
darüber, was aus ihrem bisherigen Vorgesetzten geworden war, und nicht etwa über die Aufstiegschancen, die sich daraus ergaben.
Ich bin nicht wie du, dachte sie. Zum Glück.
»Nein, das ist es nicht«, sagte sie laut. »Ich möchte wissen, was diese plötzlichen Sicherheitsmaßnahmen sollen.«
»Na ja«, erklärte Rai, »so etwas ist für ein Unternehmen immer sinnvoll. Bisher hatte man ja nie weiter gedacht, als ein paar
Wachleute vor dem Firmengelände zu postieren, aber nun haben sich anscheinend diejenigen unter uns durchgesetzt, die schon
lange meinen, dass man mehr zur Prävention tun muss. Schließlich ist dieses Gebäude Herz und Hirn unseres Konzerns.«
Isabel hatte keine weiteren Fragen. Ihrem neuen Chef musste klar sein, dass sie versuchen würde, so schnell wie möglich Kontakt
zu Alberto Hernán und zu Vera aufzunehmen. Ihre Freundin würde sie beim Essen sicher über alles informieren.
»Na ja … jedenfalls danke, dass du dir Zeit genommen hast.«
Beide wussten, dass das so nicht stimmte. Rai stand auf und begleitete Isabel zur Tür.
»Keine Ursache. Du weißt, wo du mich finden kannst, wenn du etwas brauchst. Und keine Sorge, die Konzernleitung ist mit dir
zufrieden, dein Job ist nicht in Gefahr.«
Mit einem Ausdruck von Abscheu im Gesicht verließ Isabel das Büro. Rais letzte Worte waren ihr eine Warnung. Er stand jetzt
in Kontakt zu den Topmanagern des Konzerns, sollte das heißen, denen in den obersten Stockwerken, und sie, Isabel, war ihm
ausgeliefert. So ein Idiot … Als sie die Tür hinter sich zuzog, fiel ihr ein, was sie während ihres Gesprächs noch seltsam gefunden hatte. Es war die
Tatsache, dass er seine Scheidung erwähnt hatte. Es war das erste Mal gewesen, dass er eine Bemerkung zu seinem Privatleben
gemacht hatte. Unter anderen Umständen hätte sie diese Vertraulichkeit als gutes Zeichen interpretiert,doch nun spürte sie, wie es ihr unwillkürlich kalt den Rücken herunterlief.
Sie verschanzte sich in ihrem Büro. Aus dem Nachbarzimmer hörte sie noch immer das Lachen und Tuscheln ihrer Mitarbeiter.
Kein Zweifel, das war nicht der richtige Moment, um die Alltagsroutine zu durchbrechen. Trotz Rais vermeintlich positiven
Worten würde er bestimmt weiter ein Auge auf sie haben und jede Nachlässigkeit registrieren. Trotzdem beschloss Isabel, die
drei Bewerbungsgespräche des Vormittags Luna und den anderen zu überlassen. Sie musste ein paar Nachforschungen anstellen.
Sie verschränkte die Hände im Schoß und bemerkte, dass sie zitterte. Isabel hatte sich nie als starke Frau betrachtet, jedenfalls
nicht in dem Sinn, wie es die Filme und Bücher darstellten, die sie gelesen hatte, mit Heldinnen, die jedes Problem lösten,
ohne sich um so banale Dinge wie die Periode oder die Miete kümmern zu müssen. Isabel stand auf und betrat das Nachbarzimmer.
Ihre vier Assistenten begrüßten sie überschwänglich. Luna sprang sogar auf und fiel ihr um den Hals, als sie den Raum betrat.
»Danke, Isabel. Vielen Dank!«
Verdutzt ließ Isabel die Umarmung über sich ergehen. Jorge, der erst vor kurzem von einer der renommiertesten Universitäten
des Landes in die Abteilung gekommen war, fing an zu klatschen, und die anderen fielen in seinen Applaus ein.
»Sagt mal, was ist hier eigentlich los«, brach es endlich aus ihr heraus.
Isabels Mitarbeiter lächelten erneut, und Luna, die sich endlich von ihr gelöst hatte, zog ein Taschentuch hervor.
»Die Neuigkeit, Isabel«, schluchzte sie. »Ich habe es heute früh erfahren. Ich weiß genau, ohne dich hätten sie mich niemals
dafür ausgewählt.«
»Unsere Lunita steigt in die oberen Stockwerke auf!«, rief Beatriz.
Die Nachricht traf Isabel wie ein Blitz. Mit großer Mühe schaffte sie es, sich ihr ungläubiges Staunen nicht anmerken zu lassen.
»Wann genau hast du es erfahren, Luna?«
»Ich habe das Memo hier von Señor Lara bekommen«, sagte die junge Frau aufgeregt und hielt einen Zettel mit der unverwechselbaren
Unterschrift des neuen Chefs hoch. »Die Einzelheiten werden mir gleich noch mitgeteilt.«
»Das musst du uns dann gleich erzählen«, sagte Pablo.
Luna nickte. »Ihr habt doch alle
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