Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der 3. Grad

Der 3. Grad

Titel: Der 3. Grad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
Vom Netzwerk:
»Ja, das Opfer ist bereits identifiziert. Der Name lautet Bernhardt ... Jill.« Sie buchstabierte ihn.
    Dann wollte sie noch etwas sagen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Claire legte den Arm um sie, und Cindy holte stockend Luft, wischte sich die Augen. »Ja«, sagte sie und nickte, »Ms Bernhardt war die leitende stellvertretende Bezirksstaatsanwältin der Stadt San Francisco...«
    Und dann, leise flüsternd: »Sie war auch meine Freundin.«
69
    Ich wusste, dass ich in dieser Nacht keinen Schlaf finden würde. Ich wollte nicht nach Hause.
    Und so blieb ich am Tatort, bis das Team von der Spurensicherung gekommen und wieder gegangen war; und dann fuhr ich gut eine Stunde lang kreuz und quer durch die verlassenen Straßen des Hafenviertels, auf der Suche nach irgendeinem Menschen, einem Nachtarbeiter, einem Obdachlosen, der vielleicht gesehen hatte, wer Jills Leiche vor dem Lagerhaus abgeladen hatte. Ich fuhr und fuhr; ich hatte Angst, ins Büro zu gehen, Angst, nach Hause zu fahren; und ein ums andere Mal durchlebte ich aufs Neue diesen entsetzlichen Moment, sah das schreckliche Bild vor meinem inneren Auge, während die Tränen mir übers Gesicht strömten. Wie ich die Plane zurückgeschlagen – und Jill entdeckt hatte!
    Ich fuhr so lange, bis mein Auto plötzlich von selbst das Ziel zu kennen schien. Wohin hätte ich mich auch sonst wenden können? Es war drei Uhr morgens, als ich mich vor der Gerichtsmedizin wiederfand.
    Ich wusste, dass Claire dort sein würde. Ganz gleich, wie spät es war. Sie würde ihre Arbeit machen, weil es das Einzige war, was sie davon abhalten konnte, den Verstand zu verlieren. Da stand sie in ihrer blauen OP-Kluft, im Sektionssaal.
    Jill lag wie aufgebahrt auf dem Stahltisch. Unter denselben Lampen, in deren grellem Licht ich schon so viele Mordopfer gesehen hatte.
    Jill... mein Schatz, mein liebes Mädchen
.
    Ich starrte durch die Scheibe, und die Tränen rollten mir übers Gesicht. Claire hatte schon mit der Autopsie begonnen. Sie tat dasselbe wie ich: ihre Arbeit.
    »Es ist besser, wenn du nicht dabei bist, Lindsay«, sagte sie, als sie mich sah. Sie zog ein Laken über Jills entblößte Wunde.
    »Doch, es ist besser, Claire.« Ich blieb stehen. Ich würde nicht wieder gehen. Ich musste das einfach sehen.
    Claire schaute in mein verquollenes, tränennasses Gesicht. Sie nickte, und der Anflug eines Lächelns zuckte um ihre Mundwinkel. »Dann mach dich wenigstens nützlich und reich mir die Sonde dort auf dem Tablett.«
    Ich drückte Claire das Instrument in die Hand und fuhr leicht mit dem Handrücken über Jills erkaltete, harte Wange.
Wie war es möglich, dass dies kein Albtraum war?
    »Ausgedehnte Verletzungen des rechten Okzipitallappens«, sprach Claire in das Mikrofon an ihrem Kragen, »offenbar als Folge einer einzelnen Schussverletzung. Keine Austrittswunde; Geschoss steckt noch im linken Seitenventrikel. Minimaler Blutverlust in der betroffenen Region. Merkwürdig...«, murmelte sie.
    Ich hörte ihr kaum zu. Mein Blick war starr auf Jill gerichtet.
    »Leichte Schmauchspuren an Haaren und Nacken deuten auf eine kleinkalibrige Waffe hin, die aus kurzer Entfernung abgefeuert wurde«, fuhr Claire fort.
    Sie veränderte die Lage der Leiche. Jills geöffneter Hinterkopf wurde sichtbar.
    Diesen Anblick ertrug ich nicht. Ich wandte mich ab.
    »Ich entferne jetzt das Geschoss aus dem linken Ventrikel; dem Augenschein nach ein kleines Kaliber«, fuhr Claire fort. »Anzeichen schwerer Rupturen, symptomatisch für diese Art von Verletzung, aber... nur geringfügige Schwellungen...« Ich sah Claire zu, wie sie in der Wunde herumstocherte und ein platt gedrücktes Geschoss herauszog. Sie ließ es in eine Schüssel fallen.
    Zorn wallte in mir auf, und meine Muskeln spannten sich. Es sah nach einem 22er-Geschoss aus. Bedeckt mit Spuren von Jills geronnenem Blut.
    »Irgendetwas stimmt da nicht«, sagte Claire verdutzt. Sie sah zu mir auf. »Dieser Bereich müsste eigentlich voller Rückenmarksflüssigkeit sein. Keine Schwellung des Hirngewebes, sehr wenig Blut.«
    Und dann übernahm wieder die professionelle Gerichtsmedizinerin das Kommando. »Ich werde die Brusthöhle öffnen«, sprach Claire ins Mikrofon. »Lindsay, sieh bitte weg.«
    »Was hast du denn, Claire? Was ist das Problem?«
    »Irgendetwas stimmt da nicht.« Claire drehte die Leiche auf den Rücken und griff zum Skalpell. Sie setzte es unter dem Hals an und schlitzte mit einem einzigen geraden Schnitt Jills Brustkorb

Weitere Kostenlose Bücher