Der 3. Grad
verdient hatten.
Aber diese Frau – was hatte sie denn verbrochen, dass sie auf der Liste gelandet war? War es, weil sie für den Staat gearbeitet hatte? Wie hatte Mal doch gesagt?
Die nehmen wir nur so aus Spaß mit, nur um zu zeigen, dass wir's können
. Das Problem war nur, dass Michelle ihm das nicht abnahm. Mal tat nichts ohne Hintergedanken.
Die arme Staatsanwältin hatte gewusst, dass sie sterben würde – von dem Moment an, als sie sie in den Transporter gezerrt hatten. Aber sie hatte sich nie aufgegeben. Michelle hatte ihre Tapferkeit bewundern müssen. Das wahre Verbrechen war, dass sie nie erfahren hatte, warum sie sterben musste. Nicht einmal das hatten sie ihr zugestanden.
Die Tür öffnete sich knarrend, und Mal schlüpfte herein. Als Michelle seinen triumphierenden Gesichtsausdruck sah, überlief es sie eiskalt. Er legte sich neben sie. Sein Atem roch nach Tabak und Alkohol. »Was ist denn mit meinem Partygirl los?«
»Nicht heute Abend«, sagte Michelle. Da war wieder dieses Rasseln in ihren Bronchien.
»Nicht heute Abend?« Mal grinste.
Michelle setzte sich auf. »Ich versteh das einfach nicht. Warum sie? Was hat sie denn verbrochen?«
»Na ja, was haben die anderen verbrochen?« Mal streichelte ihr Haar. »Sie hatte den falschen Arbeitgeber, Schätzchen. Sie war eine Vertreterin des großen, bösen Staates, der die kriminelle Ausbeutung der Welt sanktioniert.
Das
hat sie getan, Michelle. Sie – das sind die Panzer im Irak. Das ist Grumman und Dow Chemical und die WTO in einer Person. Lass dich nicht täuschen, nur weil sie recht hübsch war.«
»In den Nachrichten haben sie gesagt, dass sie Mörder hinter Gitter gebracht hat. Sie hat sogar bei einigen von diesen Wirtschaftsskandalen die Anklage gegen die Manager vertreten.«
»Und ich hab dir gesagt, du
sollst
nicht auf die Nachrichten hören, Michelle. Manchmal müssen auch Menschen sterben, die Gutes getan haben. Merk dir das.«
Michelle sah ihn entsetzt an. Sie musste husten, und das Engegefühl in ihrer Brust wurde stärker. Sie tastete das Bett nach ihrem neuen Inhalator ab, doch Mal hielt ihre Hand fest. »Was hast du denn gedacht, Michelle? Dass wir bei der Aktion nur mitgemacht haben, um ein paar fette Milliardärsschweine umzulegen? Wir führen unseren Kampf gegen den Staat. Der Staat ist sehr mächtig. Der lässt sich nicht so leicht in die Knie zwingen.«
Michelle rang angestrengt nach Luft. In diesem Moment wurde ihr klar, dass sie anders war als Mal. Anders als sie alle. Er nannte sie ein kleines Mädchen. Aber er irrte sich. Ein kleines Mädchen tat nicht so schreckliche Dinge, wie sie sie getan hatte. Wieder keuchte sie erbärmlich. »Ich brauche meinen Inhalator, Mal. Bitte.«
»Und ich brauche die Gewissheit, dass ich dir vertrauen kann, Schätzchen.« Er griff nach dem Inhalator und drehte ihn zwischen den Fingern wie ein Spielzeug.
Ihr Atem ging immer schwerer, immer stockender. Und Mal machte alles nur schlimmer, indem er ihr solche Angst einjagte. Sie konnte nicht abschätzen, wozu er fähig war. »Du kannst mir vertrauen, Mal. Das weißt du«, flüsterte sie.
»Das weiß ich doch, Michelle, aber ich denke dabei ja nicht an
mich
. Ich meine, wir arbeiten schließlich für jemanden, nicht wahr, Schätzchen? Charles Danko ist nicht so nachsichtig wie ich. Danko hat den Mumm, den es braucht, um die Schweine bei ihrem eigenen Spiel zu schlagen. Er ist ein Genie.«
Sie schnappte die Sprühdose aus Mals Hand und drückte zweimal auf den Hebel, schoss sich den lindernden Nebel in die Lungen.
»Weißt du, was das Geile an Rizin ist?« Mal lächelte boshaft. »Es kann auf hundert verschiedenen Wegen in deine Blutbahn gelangen.« Er krümmte den Zeigefinger zweimal, als ob er einen imaginären Inhalator betätigte. »
Pfft, pfft
.«
Da blitzte etwas in seinen Augen auf, das sie noch nie zuvor gesehen hatte. »Mann-o-Mann, was
das
erst mit deinen armen Lungen anrichten würde – hm, Schätzchen?
Pfft, pfft
.«
72
Im Justizpalast ging es an diesem Morgen zu wie im Irrenhaus. Es war beängstigend – so etwas hatte ich in meiner Laufbahn noch nicht erlebt.
Eine Staatsanwältin war ermordet worden. Opfer Nummer drei von August Spies.
Schon um sechs Uhr früh wimmelte es nur so von Vertretern der verschiedensten Bundesbehörden: FBI, Justizministerium, ATF. Und dann die Reporter, die sich im vierten Stock drängten, wo irgendeine Pressekonferenz angesetzt war. Die Schlagzeile auf der Titelseite des
Examiner
fragte in
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