Thomas?«
»Ja«, seufzte sie. »Ich mache die Nacht zum Tage.«
Endlich stopfte sie ihre paar Sachen in die Tasche und warf noch einen letzten Blick in den Computer, bevor sie ihn herunterfuhr. Vielleicht würde sie Lindsay anrufen. Einfach nur, um zu reden.
Eine neue E-Mail erschien auf dem Bildschirm.
Cindy musste sie nicht erst öffnen, um zu wissen, von wem sie kam.
[email protected] Sie wusste um den Zeitplan. Sie wusste um die Warnung, dass es alle drei Tage ein neues Opfer geben würde. Es war Sonntag. August Spies war wieder dran.
»Wir haben Sie gewarnt«, begann die Botschaft. »Aber Sie waren arrogant und wollten nicht hören.«
O Gott
.
Ein unterdrückter Schrei entrang sich Cindys Kehle.
Sie fixierte den Bildschirm, las die schockierende Nachricht und die Unterschrift, bei der ihr das Blut in den Adern gefror.
August Spies hatte wieder zugeschlagen.
66
An diesem Abend kam ich gegen elf nach Hause, erschöpft und mit leeren Händen. Ein paar Sekunden lang hielt ich am Fuß der Vortreppe inne und dachte nach. Morgen früh würde Jill offiziell als vermisst gelten. Dann würde ich als leitende Ermittlerin das Verschwinden einer meiner besten Freundinnen aufzuklären haben.
»Ich dachte, das würde dich vielleicht interessieren«, hörte ich plötzlich von irgendwo über mir eine Stimme. »Ich habe inzwischen von Portland gehört.«
Ich blickte auf und sah Molinari; er saß auf der obersten Stufe.
»Sie haben eine Sekretärin an der Portland State ausfindig gemacht, die ihrem Freund einen Tipp gegeben hatte, wo Propp sich aufhielt. Die Spur der Tatwaffe führt zu ihm. Ein Radikaler aus der Gegend. Aber ich fürchte, das wird dich heute Abend auch nicht sonderlich aufmuntern.«
»Ich denke, du bist ein richtig hohes Tier, Joe«, sagte ich, zu ausgelaugt und zu müde, um ihm zeigen zu können, wie froh ich war, ihn zu sehen. »Wie kommt es dann, dass du ständig bloß auf mich aufpassen kannst?«
Er stand auf. »Ich wollte nicht, dass du dich allein gelassen fühlst.«
Mit einem Mal konnte ich mich nicht mehr beherrschen. Sämtliche Schleusentore brachen. Molinari kam die Stufen herunter, nahm mich in die Arme und hielt mich, während mir die Tränen über die Wangen strömten. Es war mir peinlich, dass er mich so sah – ich hätte so gerne Stärke demonstriert –, aber ich konnte einfach nicht aufhören zu weinen.
»Es tut mir Leid«, sagte ich, um Fassung ringend.
»Nein« – er strich mir übers Haar –, »mir musst du doch nichts vormachen. Du darfst alles rauslassen. Es gibt nichts, wofür du dich schämen müsstest.«
Jill ist etwas zugestoßen!
, wollte ich schreien, doch ich kriegte kein Wort heraus.
»Es tut mir auch Leid.« Er hielt mich fest umschlungen. Dann fasste er mich sanft an den Schultern und schaute in meine verquollenen Augen. »Ich war beim Justizministerium, als die Twin Towers fielen«, sagte er und wischte mir eine Träne von der Wange. »Ich habe Leute gekannt, die damals umgekommen sind. Einige der Feuerwehrhauptleute, John O'Neill vom Sicherheitsdienst des WTC. Ich gehörte zur Führung des Krisenstabs, aber als dann nach und nach die Namen bekannt wurden, Namen von Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet hatte, da konnte ich es plötzlich nicht mehr aushalten. Ich bin in die Herrentoilette gegangen. Ich wusste, was in diesem Moment alles auf dem Spiel stand. Aber ich habe mich einfach nur in eine Kabine gehockt und geheult. Das ist nichts, wofür man sich schämen müsste.«
Ich schloss die Haustür auf, und wir gingen hinein. Molinari kochte mir Tee, während ich zusammengekauert auf der Couch saß. Martha kam und legte ihre Schnauze auf meinen Oberschenkel. Ich wusste nicht, was ich getan hätte, wenn ich allein gewesen wäre. Er schenkte mir den Tee ein, und ich schmiegte mich an ihn; der Tee wärmte mich von innen, während ich mich in seine Armen kuschelte. So saßen wir ganz lange da. Und er hatte vollkommen Recht – es gab nichts, wofür ich mich hätte schämen müssen.
»Danke«, seufzte ich an seiner Brust.
»Wofür? Dass ich weiß, wie man Tee kocht?«
»Ganz einfach danke – dass du nicht zu den Arschlöchern gehörst.« Ich schloss die Augen. Für einen kurzen Moment war alles Schlimme und Böse draußen vor der Tür, weit weg von meinem Wohnzimmer.
Das Telefon klingelte. Ich wollte nicht hingehen. Ich hatte das Gefühl, meilenweit von allem entfernt zu sein, und ich genoss das Gefühl, so egoistisch es auch sein mochte.
Und dann