Der 3. Grad
Gesicht war auf allen Kanälen zu sehen. Es war wie ein Nerven zerfetzender Countdown am Ende irgendeines Katastrophenthrillers, nur viel, viel schlimmer. Allein der Gedanke, dass jeden Moment eine Bombe in unserer Stadt hochgehen könnte – oder dass ein tödliches Gift auf uns herabregnen könnte, aus einem Flugzeug möglicherweise...
Wie nicht anders zu erwarten, gingen noch vor sieben die ersten Anrufe von Personen ein, die Hardaway angeblich ge sichtet hatten. Ein Verkäufer in einem 24-Stunden-Supermarkt in Oakland war sich sicher, ihn vor zwei Wochen dort gesehen zu haben. Andere Anrufe kamen aus Spokane, Albuquerque, sogar aus New Hampshire. Wer konnte sagen, ob irgendeiner davon ernst zu nehmen war? Aber sämtliche Anrufe mussten überprüft werden.
Molinari telefonierte gerade mit einem Mann namens Ronald Kull von der WTO.
»Ich denke, wir sollten eine Art Kommuniqué herausgeben«, drängte der Vizedirektor. »Keine Eingeständnisse, aber Sie sollten zum Ausdruck bringen, dass die Organisation über die Vorwürfe nachdenken wird, wenn die andere Seite erkennen lässt, dass sie auf Gewalt verzichten will. Das wird uns Zeit verschaffen. Es könnte Menschenleben retten. Möglicherweise sehr viele.«
Er schien eine Einigung erzielt zu haben und sagte, er würde einen Entwurf formulieren. Aber dieser müsste dann von Washington und von der WTO genehmigt werden.
Diese ewige Bürokratie. Und die Uhr tickte. Jeden Moment konnte die Katastrophe über uns hereinbrechen.
Und dann – genau, wie die E-Mail es vorausgesagt hatte – passierte es.
Um 8 Uhr 42. Ich glaube, diese Uhrzeit werde ich im Leben nicht mehr vergessen.
79
Einige Kinder hatten Wasser aus einem Spender in der Grundschule Redwood City getrunken. Sie waren krank geworden
... Das war das Erste was ich hörte.
Allen in der Einsatzzentrale blieb im selben Moment das Herz stehen.
Um acht Uhr zweiundvierzig.
Innerhalb von Sekunden war Molinari mit dem Direktor der Schule verbunden. Es wurde entschieden, das Gebäude sofort zu evakuieren. Claire, die ein Headset aufgesetzt hatte, versuchte zu dem Rettungswagen durchzukommen, der die erkrankten Kinder transportierte.
Nie zuvor hatte ich die fähigsten Köpfe unserer Stadt in einem solchen Zustand völliger Panik erlebt. Molinari erteilte dem Direktor präzise Anweisungen: »Bis zu unserem Eintreffen rührt niemand das Wasser an. Die Schule muss auf der Stelle geräumt werden.«
Er beorderte ein FBI-Team per Helikopter nach Redwood City. Der Toxikologie-Experte war uns direkt zugeschaltet. »Wenn es sich um Rizin handelt«, sagte er, »wird es bei den Betroffenen zu Krämpfen kommen, begleitet von massiver Bronchienverengung und grippeartigen Symptomen.«
Claire hatte sich mit der Schulkrankenschwester verbinden lassen. Sie identifizierte sich und sagte: »Sie müssen mir jetzt ganz genau die Symptome der Kinder beschreiben.«
»Ich wusste nicht, womit ich es zu tun hatte«, antwortete eine aufgeregte Stimme. »Die Kinder haben sich plötzlich schwach gefühlt und Anzeichen schwerer Übelkeit gezeigt. Ich habe fast vierzig Grad Fieber gemessen. Dazu Leibschmerzen und Erbrechen.«
Einer der Helis hatte die Schule bereits erreicht und kreiste darüber. Auf den Livebildern, die er schickte, sahen wir Kinder aus den Ausgängen strömen, angeführt von ihren Lehrern.
Die ersten Eltern kamen herbeigeeilt, außer sich vor Panik.
Plötzlich ging über Funk eine zweite Meldung ein. Auf einer Baustelle in San Leandro war ein Arbeiter zusammengebrochen.
Das war auf der anderen Seite der Bucht. Niemand wusste, ob es ein Herzinfarkt war oder ob er etwas eingenommen oder eingeatmet hatte.
Während wir noch versuchten, Näheres zu erfahren, flackerte auf einem der Monitore ein Newsflash auf. »Wir unterbrechen unser Programm für eine wichtige Meldung... In Redwood City wurde die dortige Grundschule evakuiert, nachdem einige Kinder zusammengebrochen waren mit heftigen Symptomen wie Übelkeit und Erbrechen und ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Möglicherweise sind sie mit einer giftigen Substanz in Berührung gekommen. Und dies, nachdem Warnungen vor möglichen terroristischen Aktionen im Lauf des heutigen Tages über die Medien verbreitet wurden...«
»Gibt es etwas Neues über die Erkrankungen in der Schule?«, fragte Molinari am Telefon.
»Noch nicht«, antwortete der Direktor. Die Schule war inzwischen komplett evakuiert. Der Heli kreiste nach wie vor darüber.
Dann brachte ein Arzt aus der
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