Der 50-50 Killer
Geschäfte, die diese Geräte anboten, nicht gern mit der Polizei zusammenarbeiteten, aber als man sie unter Druck setzte, hatten sie es doch getan. Listen von Sicherheitsexperten, eifersüchtigen Ehemännern und allen möglichen komischen Käuzen waren überprüft und die Verdächtigen einer nach dem anderen eliminiert worden.
An jenem Tag ging Dyson noch einmal alle schon zuvor überprüften Dinge durch und besuchte Frank Walker, einen Mann, der vor ein paar Jahren zwei Abhörgeräte gekauft hatte. Man hatte ihn schon einmal ohne Probleme befragt. Keine besonderen Anweisungen, keine Bedenken. Dieser Besuch war lediglich eine Formalität, und es hätte also eigentlich ein Tag ohne besondere Ereignisse sein sollen. Dy son hatte keine Veranlassung, zu vermuten, dass er in Gefahr war. In der Akte wurde dies als Grund dafür angenommen, dass er sein Aufnahmegerät noch nicht angeschaltet hatte.
Als ich an diese Stelle kam, hielt ich inne und las sie ein zweites Mal. Das war es – ein einziges Nachlassen der Konzentration, vermutlich verursacht durch Langeweile oder ständige Wiederholung. Ein Mangel an Wachsamkeit. Wäre er damals besser auf der Hut gewesen, wäre vielleicht alles anders gelaufen. Die Tonaufnahme des Überfalls wäre von dem an seinem Gürtel befestigten Gerät auf den Empfänger im Wagen und von dort in die Abteilung übertragen worden. Er wäre vielleicht am Leben geblieben.
Ich warf einen Blick zu Mercer hinüber. Er war in die Berichte vertieft und bemerkte nicht, dass ich zu ihm hinschaute, aber ich sah ihn jetzt in einem etwas anderen Licht. Zuvor hatte ich mich über sein Beharren auf kompletten Videound Audioaufnahmen geärgert. Irgendwie tat ich das immer noch, verstand aber jetzt zumindest die Gründe dafür.
Auf der Uhr in der rechten oberen Ecke des Bildschirms verstrichen die Sekunden. Volle fünfzehn Sekunden vergingen, bevor ich Dyson die Hand ausstrecken und die Tür aufstoßen sah. Sie musste angelehnt gewesen sein, denn er stieß nur leicht daran, und sie ging nach innen auf. Die Hand am Türrahmen, steckte er den Kopf hinein. Ich vermutete, dass er ins Haus hineinrief: Hallo? Hier ist die Polizei. Ist da jemand?
Er zögerte einen Moment, und ich spürte, wie mein Herz klopfte. Dies war der entscheidende Moment. Die Wahrheit darüber, was danach genau geschah, würde verborgen bleiben, bis wir den Mann fassen konnten, der dort gewohnt, der sich in dem Haus versteckt hatte, und selbst dann würden wir vielleicht nie erfahren, warum Dyson beschloss, hineinzugehen. Eine Theorie besagte, dass er in der Küche etwas so Auffälliges gesehen haben musste, dass er eintrat. Eine andere Vermutung war, dass er ein Geräusch gehört hatte, vielleicht einen vorgetäuschten Hilferuf. Was immer die Erklärung sein mochte, er hatte jedenfalls, Sekunden nachdem er die Tür öffnete, die Küche betreten und war verschwunden.
Die nächste Aufnahme von ihm hatte ein Kollege von der Spurensicherung am Tatort gemacht.
Ich sah mir trotzdem noch den Rest an. Wer immer das Material zusammengestellt hatte, hatte am Ende noch zehn Sekunden drangehängt, in denen nichts als das stille Haus und der Garten mit den leise zitternden Gräsern zu sehen war. Möglicherweise war das aus Respekt geschehen, aber ich musste daran denken, was sich gleichzeitig dort drinnen im Verborgenen abgespielt haben mochte, und war froh, als die Aufzeichnung endete.
Als ich im Hauptteil des Berichts weiterlas, erfuhr ich, dass Dysons Leiche drei Stunden später gefunden wurde, nachdem er nicht zurückgekommen war und sich auch auf Anrufe hin nicht gemeldet hatte. Man konnte sich nur allzu leicht vorstellen, wie das Knistern seines Funkgeräts, auf das er nicht reagierte, in dem leeren Wohnzimmer geklungen haben mochte, wo er schließlich gefunden wurde. Man hatte letztlich durch das Auto, das draußen stand, herausbekommen, wo er war.
Das Haus gehörte einem »Frank Walker«, und es stellte sich heraus, dass es fast völlig leer war. Die Räume standen leer, die Wände waren kahl, und an Möbeln gab es kaum mehr als einen Schreibtisch neben dem Telefonanschluss und eine Matratze im Obergeschoss. Obwohl das Objekt schon mehrere Jahre von Walker gemietet wurde, hatte offensichtlich niemand über längere Zeit wirklich hier gewohnt. Der Mann, Frank Walker, war eine Fiktion, ein schlau eingefädelter Betrug aufgrund einer sorgfältig ausgearbeiteten, jedoch gänzlich unwahren Vorgeschichte, die ebenso leer und hohl war wie das
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