Der 50-50 Killer
geschlafen? Es war nicht so schlimm. Nur das Gefühl, innerlich ausgehöhlt zu sein, überzeugte ihn, dass er demnächst zusammenbrechen und sich sehr viel daraus machen würde.
Ich habe einen emotionalen Schock erlitten.
Am Telefon konnte nichts gelöst werden. Aber trotzdem …
»Ich ruf dich nach der Arbeit an«, sagte er.
»Bestimmt?«
Es war lächerlich. Sie klang so verletzt und unglücklich, als hätte er etwas falsch gemacht. Einerseits hätte er ihr am liebsten trotz der weiten Entfernung eine schallende Ohrfeige verpasst. Andererseits hätte er sie am liebsten in den Arm genommen und ihr gesagt, es sei alles gut. Und komischerweise hatte dieser Streit seiner beiden Ichs etwas, das er fast genoss.
»Bestimmt«, sagte er. »Ich muss nur über alles nachdenken.«
Das zog einen neuerlichen Ausbruch der Verzweiflung nach sich.
»Liebst du mich?«
»Ich muss Schluss machen.«
Der Hörer klickte beim Auflegen und ließ ihr Weinen verstummen.
Scott saß ein paar Minuten da und spürte, wie das Schweigen über ihn hinwegkroch. Die Luft stand unter Druck, es war, als sei er unter Wasser. Er hörte die Autos draußen, Stimmen … doch er war wie taub. Er war ein leeres Haus. Das Licht fiel in die Fenster, aber niemand sah hinaus. Der Wind strich an den Wänden entlang, aber die Wände spürten es nicht.
Der Wecker auf dem Nachttisch zeigte mit leuchtend roten Ziffern 6:34 an.
Er hörte ein Geräusch hinter sich. Etwas wie Atmen.
Scott drehte sich sehr langsam um, das Bett knarrte unter ihm.
Der Dämon stand in der Tür, und seine Schultern hoben und senkten sich heftig, als habe er lange laufen müssen, um ihn zu finden. Er hielt etwas Hartes in der Hand.
Und als Scott es sah, versuchte er, sich zu bewegen, konnte sich aber nicht rühren. Seine Unterarme waren an den Schenkeln festgebunden, festgehalten von Fesseln, die er nicht sehen konnte.
Panik.
»Nummer achtzig«, sagte der Dämon. Seine Stimme klang normaler als in den früheren Träumen. »›Du hast mich gewählt.‹ Was bedeutet das?«
Was hatte es zu bedeuten? Scott wollte sagen, er wisse es nicht. Wenn es dabei um Jodie gehe, dann … stimmte es nicht. Sie hatte ihn überhaupt nicht gewählt, ganz im Gegenteil. Aber dann drängte sich ihm ein Bild auf. Jodie saß auf dem Bett in ihrem Hotelzimmer, den Kopf in den Händen, und weinte. »Sie musste mich nicht anrufen«, sagte er.
»Sie hätte einfach so tun können, als sei es nie passiert. Sie hätte es mir überhaupt nicht zu sagen brauchen.«
Der Teufel neigte den Kopf.
»Und was hast du dann getan?«
»Mir geht’s nicht gut«, sprach er auf den Anrufbeantworter bei der Arbeit. Die Spule mit dem Band drehte sich langsam und surrte in dem leeren Büro. Sein Chef kam immer erst um neun. Manchmal kam er überhaupt nicht.
»Ich bin die halbe Nacht auf gewesen. Ich glaube, ich hab was Verkehrtes gegessen. Mir ist hundeelend.«
Er sagte noch einiges, alles nicht besonders überzeugend, und legte dann auf.
Dann warf er das Glas Wasser auf dem Nachttisch an die Wand. Es zersprang und flog nach allen Seiten, und er bereute es sofort. Die Bodenbretter knarrten leise, als er die Glassplitter zusammenkehrte, und aus dem Mülleimer drang ein staubiges Klirren, als die Scherben hineinfielen.
Er nahm seine Schlüssel, die Brieftasche und den Mantel und ging auf die Tür zu.
»Du bist zu ihr gegangen, nicht wahr?«
Der Teufel kauerte vor ihm. Scotts schlafendes Bewusstsein akzeptierte das. In gewisser Hinsicht verstand er, was geschah. Diese Erinnerungen an Jodies Affäre lagen jetzt zwei Jahre zurück, aber der Teufel existierte in einer neueren Zeit, und die beiden waren miteinander verbunden. Sie hatten über diesen Vorfall gesprochen. Und wenn die Erinnerungen beide Zeitebenen berührten, konnte die Geschichte wie über eine Brücke ihren Weg finden. Das Gift konnte nach oben steigen.
Er nickte.
Ihr Hotelzimmer war größer, als er sich vorgestellt hatte. Normalerweise mochte er Hotels. Es war etwas Beruhigendes an den engen Korridoren, dem weichen Licht, der höhlenähnlichen Atmosphäre der Zimmer. Jetzt jedoch hatten diese Dinge nichts Tröstliches. Er stellte sich immer wieder Jodie und Kevin darin vor.
Sie traf ihn auf dem Flur, und sie gingen zu ihrem Zimmer, ohne viel zu sagen. Sie knipste das Licht an.
An einer Wand war ein Schränkchen, auf dem ein kleiner Fernseher und ein Tablett mit Sachen zum Tee- und Kaffeemachen stand. Keine gebrauchten Teebeutel oder schmutzigen
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