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Der 7. Rabe (German Edition)

Der 7. Rabe (German Edition)

Titel: Der 7. Rabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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Platz nahmen. Verächtliche und einige wenige neugierige Blicke trafen Raj und nur zögernd setzte das Klappern von Besteck und Geschirr wieder ein.
    „Wie hast du es hier nur ausgehalten?“, fragte Randyn und schüttelte sich.
    „Warum hast du uns nicht geschrieben, wie es dir wirklich ergangen ist? Hätte Vater davon gewusst, hätte er dich sofort zurückgeholt“, lautete Rynalphs Behauptung. Küchenbedienstete kamen und brachten ihnen ihre Mahlzeit, sodass Raj nicht antworten musste. Beharrlich starrte er auf seinen Teller und schwieg. Schließlich zerzauste ihm Risser das Haar und erklärte lachend:
    „Er ist eben ein Trotzkopf.“
    „Warum grabscht eigentlich jeder in meinen Haaren herum?“, fragte Raj maulig und versuchte die wirren Strähnen wieder zu glätten.
    „Weil du unser Küken bist?“ Jetzt neckte ihn Rayskel auch noch.
    „Ich habe schon immer in deinem Gefieder herumgewühlt“, erklärte Randyn. „Und ich werde es weiterhin tun. Daran kann mich auch dein Wolf nicht hindern.“
    Raj sah ihn scharf an, doch sein Bruder wirkte ausgesprochen friedlich. Was mochte der Altehrwürdige ihm gesagt haben, dass er plötzlich seine Beziehung zu Farres tolerierte? Er zuckte mit den Schultern und löffelte seinen Früchtebrei.
    „Wie sollen wir denn jetzt diesen Krieg beenden, wenn die Karte nicht ausreicht? Mag jemand den Rat des Altehrwürdigen befolgen und sich Farouche stellen?“, fragte Rayskel. Niemand antwortete.
    „Nichts für ungut, Farres, doch in Zwanzig Türme reicht bereits der Name deines Bruders aus, dass uns die Federn ausfallen.“ Risser grinste schwach.
    „Bei uns Wölfen ist es ähnlich. Farouche war nicht immer so. Als wir jünger waren, hatten wir eine Beziehung die der euren gleicht. Leider kam Farouche irgendwann auf den Geschmack von Unterdrückung und Gewalt. Ich begreife es bis heute nicht. Er macht sogar mir Angst“, gestand Farres. Gleich darauf fuhr er hastig fort: „Auf seine sehr verquere Art liebt er mich wirklich. Doch selbst ich werde ihn allein mit schönen Worten nicht von der Fortführung des Krieges abhalte n können. Und die Karte … wenn sie nun unser derzeitiges Gebiet beschneidet, wird Farouche nicht nur sprichwörtlich darauf scheißen.“
    „Der Altehrwürdige wird sicherlich nicht wollen, dass du gegen deinen Bruder kämpfst“, brummte Rynalph und leckte seinen Löffel ab.
    „Doch“, murmelte Raj nachdenklich, „genau das wollte er uns sagen. Farres muss sich seinem Bruder in einem Hierarchiekampf stellen.“
    „Raj, dann bin ich tot“, protestierte Farres. „Ich habe keine Angst vor einem Kampf. Aber mit meinem verkrüppelten Fuß habe ich gegen Farouche überhaupt keine Chance. Auch wenn er nicht mehr schmerzt … Außerdem will ich Farouche nicht töten. Egal was für ein Monster er sein mag, er ist trotzdem mein Bruder. Dagegen wird er keine Hemmungen haben, mich umzubringen, wenn ich ihm den Thron streitig mache. Farouche wird denken, dass ich ihn verrate und sich in einen seiner maßlosen Wutanfälle hineinsteigern.“
    Raj lächelte seinen Liebsten an. „Ich habe bereits eine Idee, wie du ihn besiegen kannst, Farres. Dazu musst du Farouche gar nicht töten.“
    „Was denn für eine Idee?“
    „Vertraue mir einfach, Farres.“
    „Gütiger Gott, wir reden hier von meinem Bruder, Hühnchen.“
    Er schaute in Farres erschüttertes Gesicht und versuchte sich vorzustellen, einen seiner Brüder bekämpfen zu müssen. Der Reihe nach betrachtete er Risser, Rayskel, Rynalph und Randyn. Die gleichen bedrückten Mienen, die gleichen blauschwarzen Haare und nachtdunklen Augen.
    Wie aus einem Ei geschlüpft , dachte Raj. Ein Ding der Unmöglichkeit, einen von ihnen umzubringen. Wir sind einander viel zu sehr verbunden.
    Rayskel, der neben Farres saß, rückte näher an den Wolf heran und knuffte ihn sanft.
    „Wir sind jetzt ebenfalls deine Brüder, Farres“, sagte er leise. Raj beobachtete, wie sein Liebster erst überrascht blinzelte, dann kurz Rayskels Schulter drückte und etwas gezwungen lachte:
    „Ich hoffe, ich muss für diese Ehre keinen Flugversuch starten.“
     
    Den Tag über zeigte Raj seinen Brüdern und Farres die Hohe Akademie. Den spärlich ausgestatteten Studiensaal, der für jeden Studenten ein Pult und einen Hocker zur Verfügung stellte, hatte er noch viel zu gut in Erinnerung. Nach stundenlangem Lesen in verstaubten Büchern mit winzigen verblassten Schriftzeichen hatte sich sein Rücken abends wie zerbrochen angefühlt.

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