Der 7. Tag (German Edition)
eine
Bürogemeinschaft unterhielt, Anzeige gegen Michael Thalheim wegen
Unterschlagung von Mandantengeldern in Höhe von 9,6 Millionen Euro erstattet.
Michael Thalheim hatte alle Notaranderkonten geleert und war mit diesen Geldern
verschwunden. Ich habe die Ermittlungen gegen Michael Thalheim geführt und
dabei auch seine Ehefrau Sybille Thalheim mehrmals überprüft.“
„Können Sie dem Gericht sagen, was Notaranderkonten sind?“
sagt der Staatsanwalt.
„Das ist einfach. Wenn ein Notar zum Beispiel ein
Grundstücksgeschäft beglaubigt, so zahlt der Käufer der Immobilie das Geld, das
eigentlich dem Verkäufer zusteht, auf ein sogenanntes Anderkonto ein. Dort
bleibt es so lange liegen, bis bei dem beglaubigenden Notar die
Auflassungsvormerkung eingeht. Das ist die Bestätigung des Grundbuchamtes, dass
keine weiteren Ansprüche auf dem Grundstück liegen. Erst nach der Mitteilung
des Grundbuchamtes darf der Notar das auf dem Anderkonto geparkte Geld an den
Verkäufer überweisen.“
Am ersten Weihnachtsfeiertag 2001 waren wir bei Gabi und
Ulli eingeladen. Der Abend wurde eine schlichte Katastrophe. Die Zwillinge quengelten
und die liebenden Eltern fanden das entzückend. Ich konnte nicht ein einziges
Wort mit Gabi alleine reden, ein Gespräch zu viert war ebenso unmöglich.
„Zumindest sehen die beiden glücklich aus und ihr neues Haus
ist wirklich toll“, sagte ich zu Michael, als wir endlich völlig entnervt auf
seine Couch fielen.
„Sie sind glücklich, Bille. Jeder tut das im Leben, was er
will.“
„Ich hätte nie gedacht, dass Ulli mal ein begeisterter Vater
wird“, sinnierte ich.
„Wieso, er hat sich sehnlichst eine Familie gewünscht, du
weißt, er ist bei verschiedenen Pflegefamilien aufgewachsen.“
„Nein, das wusste ich nicht“, sagte ich beschämt. „Und was
willst du?“ habe ich ihn gefragt.
„Dich. So wie du bist.“ Michael hat mir in jener Nacht
allerdings gestanden, dass er sich auch immer Kinder gewünscht hat.
„Warum hast du mir dann nicht zugeredet, das Kind zu
behalten?“
„Du bist nicht Gabi“, hat er gesagt.
Warnke hat die ganzen traurigen Umstände, die zum
Verschwinden meines Ehemannes geführt haben, dem staunenden Publikum zu Füßen
gelegt. Die Vorsitzende Richterin hat wohl Morgenluft gewittert. Ob es denn
denkbar gewesen wäre, dass ich an der Tat beteiligt gewesen sei.
„Wir haben Frau Thalheim ein Jahr lang überwacht. Es gibt
keine Indizien, die darauf hinweisen, dass sie in die Unterschlagungen mit
einbezogen war.“
Na, das will ich wohl meinen, verdammt.
Ob es denn keine Spur von meinem Ehemann gegeben hätte.
Welche Frage, wenn es eine gegeben hätte, hätten sie ihn doch gekriegt.
Es war ein Traum: Scarlett O’Hara ließ grüßen. Michael hatte
mich zu Ostern nach South Carolina eingeladen. Nichts Dolles hatte er gesagt,
Bed & Breakfast auf einer stillgelegten Reisfarm. Er hatte mich in Atlanta
mit einem Mietwagen abgeholt. Dass nichts Dolles die größte Untertreibung
seines Lebens war, wusste ich in dem Moment, als wir unter den alten Oaktrees
auf das weiße Herrenhaus von Litchfield Plantation zufuhren. Als Michael das
Haus aufschloss, bin ich völlig ausgerastet. Genauso sah das Haus meiner Träume
aus. Chintz bezogene Sofas, eichengetäfelte Bibliothek, Antiquitäten, ein
Wohnzimmer, das dem Namen der Suite, die Michael gemietet hatte, alle Ehre
machte. Sie hieß Ballroom-Suite. Im Schlafzimmer stand ein Himmelbett und eine
Recamière, im Badezimmer gab es einen Whirlpool mit Blick auf die überfluteten
Reisfelder.
„Oh, Michael, so möchte ich leben“, rief ich begeistert.
„So wirst du leben, Bille, ich versprech’s.“
Am Abend saßen wir auf der riesigen Holzterrasse im
Schaukelstuhl, atmeten die schwere Luft des Südens und tranken, sentimental wie
wir waren, Southern Comfort. Wir neckten uns mit den Eroberungen, die wir nicht
gemacht hatten. Denn wir haben in diesem Jahr wirklich nur gearbeitet. Michael
hatte inzwischen seine Zulassung als Notar bekommen. Alles, was wir versäumt
hatten, holten wir zwischen Himmelbett und Whirlpool nach.
„Frau Thalheim war von dem Verschwinden ihres Ehemannes
total überrascht worden. Sie hat sich völlig in sich zurückgezogen und still
vor sich hin gelitten. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass sie uns gar nicht
wahrnahm, wenn wir in ihrer Villa die Unterlagen ihres Mannes durchsuchten.
Manchmal war sie allerdings auch sehr wütend. Das wechselte ständig.
Ich
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