Der 7. Tag (German Edition)
mir absolut political
incorrect.
Im Juli war ich endlich wieder zu Hause. Ach, wie habe ich
es genossen. Ich sollte erst im September meinen neuen Job antreten. So blieben
mir also noch sechs Wochen, um mich unbeschwert in die Zukunft zu verlieren.
Michael und ich hatten beschlossen, in der Stadt wohnen zu bleiben. Wir waren
beide im Villenbezirk Zehlendorf aufgewachsen, da wollten wir erst später
wieder hin. Und so ein Haus, wie Ulli und Gabi es hatten, kam für uns nicht in
Frage. Zu kleine Zimmer, zu verwinkelt. Das braucht man, wenn man eine Familie
hat, beschlossen wir. Und mit der Familie hatte es bei uns noch Zeit, jetzt war
erst mal die Karriere dran.
Und dann fanden wir genau das, was wir gesucht hatten: 130
Quadratmeter Stuckaltbau in der Wielandstraße, 150 Meter vom Kudamm entfernt.
Die Quadratmeterpreise waren zwar schwindelerregend, aber Michael meinte, wir
könnten uns das leisten, jetzt, wo ich, wie Michael Augen zwinkernd sagte, „ein
paar Cent dazu verdienen“ würde. Also unterschrieben wir den Mietvertrag, auch
wenn mir angesichts der monatlichen Kosten fast schlecht war.
Am Wochenende wandelten wir durch die Designerläden, dann
waren die Antiquitätengeschäfte dran. Uns schwebte als Einrichtung eine
Mischung zwischen Litchfield Plantation und italienischem Design vor.
Unsere Hochzeit haben wir ebenfalls geplant: In der zweiten
Augustwoche wollten wir heiraten. Komisch, die wichtigsten Dinge meines Lebens
passieren immer im August.
Blom ist total verkrampft. Kunststück, bei dem
Medienaufgebot. Er hat schon immer eine fürchterliche Angst vor den Medien
gehabt. Was für den Chef Konzerndarstellung nicht gerade eine gute
Voraussetzung ist.
Hupend fuhr der Hochzeitskonvoi über die Otto-Suhr-Allee.
Nein, das war keine Türkenhochzeit, das waren wir. Michael und ich saßen in
einem weißen Rolls Royce, den wir gemietet hatten. Der Fahrer sah kaum etwas
durch das riesige Blumenbouquet, das auf der Motorhaube angebracht war. Hinter
uns folgten unsere Trauzeugen Ulli und Gabi in ihrem schwarzen Mercedes,
dahinter meine Eltern, ebenfalls im schwarzen Mercedes. Eigentlich waren alle
Wagen schwarz, auch die unserer Freunde. Man fuhr offensichtlich schwarz im
August 2002.
Wir hatten die ganze Hochzeitsgesellschaft in unsere neue,
noch leere Wohnung eingeladen, die wir mit einem Catering-Unternehmen in eine
Hochzeitslandschaft verwandelt hatten. Natürlich wollte ich meinen Freunden
zeigen, dass ich gelernt hatte, wie man ein Event inszeniert.
Eine Band stand im Wohnzimmer und intonierte „Treulich
geführt“, als wir die Wohnung betraten. Und wieder wurden die Taschentücher
gezückt. Mutti und Gabi hatten schon auf dem Standesamt um die Wette
geschluchzt. Bei der eher nüchternen Zeremonie hätte ich fast laut gelacht.
Aber hier, in unserem neuen Wohnzimmer, da flossen dann auch bei mir die Tränen.
Es gab Entenstopfleber auf Feigen (bei 30 Grad!), Zander im Spinatbett, Ente in
Cassisjus und Reden, Reden, Reden.
Mein Vater drohte Michael an, ihn umzubringen, wenn er mich
nicht glücklich machen würde, Ulli küsste die Braut öfter als es Michael lieb
war, Tanten, Onkels und Cousinen, die ich seitdem nie mehr gesehen habe,
tranken über den Durst.
Als wir beim Kaffee angelangt waren, verdunkelte sich der
Himmel. Ein Blitzschlag erleuchtete die mit über hundert Kerzen dekorierte
Wohnung und dann brach der Weltuntergang über uns herein. Es regnete, als ob da
oben jemand die Schleuse aufgemacht hätte.
Ich weiß nicht mehr, wer die Idee hatte, zum Kudamm zu
laufen. Die halbe Hochzeitsgesellschaft lief hinaus, wir rannten durch den
Regen, die Schuhe in der Hand und sangen: „Just walking in the rain“. Michael
und Ulli waren so schlau gewesen, beim Hinauslaufen ein paar Flaschen
Champagner zu greifen. Und so saßen wir dann, nass wie junge Katzen, auf den
Treppenstufen eines Herrenausstatters am Kudamm, tranken Champagner aus der
Flasche und lachten und lachten und lachten. Bis Ulli auf die Idee kam, eine
Runde Currywurst zu schmeißen. „Endlich was Anständiges zu essen“, sagte Michael.
Jetzt stellt er mir ein Zeugnis aus. Kai-Uwe Blom. Ich werde
es ihm nie vergessen, wie er mich dieses eine Jahr ganz am Anfang hat leiden
lassen. Dafür habe ich es ihm gegeben.
„Frau Thalheim hat sehr gute Arbeit geleistet. Sie war
ehrgeizig und wollte so schnell wie möglich Karriere machen.“
Fehlt nur noch, dass er sagt, ich war pünktlich.
Mein neuer
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