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Der 7. Tag (German Edition)

Der 7. Tag (German Edition)

Titel: Der 7. Tag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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Zunge fühlte sich an, als sei sie ein Tempotaschentuch.
    Ich hatte jeden Tag vor dem Spiegel gestanden und geschaut,
ob meine Brüste sich verändern würden. Nichts tat sich. Ich hoffte auf morgendliche
Übelkeit, aber auch die wollte sich nicht einstellen. Endlich bat mich die
Sprechstundenhilfe in Gabis Besprechungsraum. Wir umarmten uns.
     
     
    Der Staatsanwalt sieht meine Schuld als erwiesen an. Das
Bild, das er von mir malt, ist das einer eiskalten Frau, die aus Enttäuschung
die Tötung ihres Ehemannes fein säuberlich plant und dann durchführt. Er
versucht herauszuarbeiten, dass meine Amnesie ebenso ein Teil meines Planes
gewesen sei, wie die Tötung meines Ehemannes mit dem Küchenmesser.
    „Frau Thalheim ist bekannt als eine Frau, die ihr Ziel mit
allen Mitteln erreicht. Sie machte sich die Krankheit eines Kollegen für ihre
Karriere zu Nutze, eine große Erbschaft reichte ihr nicht. Sie brachte ihre
Mutter auch noch dazu, ihr Haus zu verkaufen, damit sie selbst die von ihr
gewünschte Villa kaufen konnte. Menschenleben bedeuten Sybille Thalheim nichts:
Als sie ein Baby erwartete, stand es ihrer Karriere im Wege. Sie ließ es
kurzerhand abtreiben. Sybille Thalheim ist ehrgeizig. Sybille Thalheim ist intelligent.
Sybille Thalheim hat in ihrem Leben alles in die Tat umgesetzt, was sie sich
vorgenommen hat. Sybille Thalheim wollte ihren Ehemann erstechen. Und Sybille
Thalheim hat ihn erstochen. Sybille Thalheim erinnert sich angeblich an nichts.
Ich bin sicher, dass sie sich genau an den 3. Februar 2009 erinnert.
    Meine Damen und Herren, Sybille Thalheim hat ihren Ehemann
Michael Thalheim vorsätzlich und grausam ermordet. Die Staatsanwaltschaft sieht
nur lebenslängliche Haft als angemessene Strafe für Sybille Thalheim.“
     
    „Ich bin seit zwei Wochen überfällig“, sagte ich, als ich
endlich vor Gabis Schreibtisch saß.
    „Na dann wollen wir mal nachschauen“. Gabi gab mir einen
Plastikbecher und schickte mich mit Daumendruck auf die Toilette. Während die
Praxishelferin den Urin auswertete, untersuchte mich Gabi auf ihrem
High-Tech-Stuhl.
    „Was ist“, fragte ich ängstlich. Die Sprechstundenhelferin
kam mit dem Ergebnis herein.
    „Alles okay“, sagte Gabi, „du kannst dich anziehen“.
     „Nun sag‘ schon, bin ich schwanger?“
    Jippphh.
    Und dann stand ich da, in diesem weißen Raum, unten ohne und
umarmte meine Freundin. Mir liefen die Tränen herunter, während ich Frau Doktor
immer wieder in die Rippen boxte. Wir haben gelacht und getanzt, die
Sprechstundenhilfe ist lächelnd geflohen. Am liebsten wäre ich, halb nackt wie
ich war, auf die Straße gelaufen und hätte gerufen: Ich bin schwanger!
     „Bille, du kannst dich jetzt wirklich anziehen“, lachte
Gabi.
    „Okay, okay, ich benehme mich unmöglich“, sagte ich, „ich
weiß ja, deine Patienten warten.“
    „Quatsch, du benimmst dich normal. Weißt du, deshalb bin ich
Frauenärztin geworden.“
    Ich umarmte Gabi. „Bitte sag‘ Ulli noch nichts, ich bin
sicher, dass Micha es ihm am Wochenende sagen möchte, wenn ihr zu uns kommt.“
    „Versprochen“.
     
    Jetzt ist Ulli dran. Ulli, bitte, sei nicht so nervös. Es
ist doch egal, was die Richter sagen. Es ist egal, was der Staatsanwalt sagt.
Es ist egal, wie lange sie mich einbunkern. Mein Leben kann mir keiner mehr
wiedergeben.
     
    Ich saß in meinem anthrazitfarbenen Firmen-Mercedes und sah
so gut wie nichts. Mir liefen immer noch die Tränen herunter. Wir bekommen ein
Baby. Ich übte diesen Satz, sagte ihn hundertmal auf der Fahrt nach Zehlendorf
vor mich hin. Wir bekommen ein Baby. Wir bekommen ein Baby. Wie gut, dass ich
einen Urlaubstag genommen hatte. Ich hätte an diesem Tag nicht mehr arbeiten
können. In der Clayallee blühten die letzten Narzissen, Frühling in Berlin. Bei
Kaiser’s kaufte ich Vorspeisen für mindestens zwanzig Personen ein. Heute Abend
wollte ich nicht kochen, ich wollte mit Michael zusammen sein und mich freuen. 
    Mutti war zu Hause. Ich hielt es natürlich nicht aus.
    „Omi“, rief ich ihr schon von weitem zu.
    „Was hast du eben gerufen“, frage sie, als ich mich neben
ihrem Liegestuhl auf der Terrasse hinhockte.
    „Omi“, habe ich gerufen, „damit du dich schon mal daran
gewöhnst.“
     „Heißt das...“ fragte Mutti.
    „Das heißt es, wir bekommen ein Baby.“
    Mutti weinte, ich weinte schon wieder, wir lagen uns in den
Armen und drückten uns ganz fest.
    „Das wurde aber auch Zeit, dass ihr mich endlich zur Oma
macht“,

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