Der 7. Tag (German Edition)
die Freiheit. Wenn sie zwischendurch zu Hause
war, dann traf sie sich mit Freundinnen, von denen ich vorher nie etwas gehört
hatte. Kurzum, Mutti störte nicht. Außer, wenn sie sich immer öfter erkundigte,
ob ich denn nicht bald schwanger sei. Ich wurde einfach nicht schwanger. Wir
übten und übten...
„Na das mit dem Küchenmesser hat die Thalheim doch vorher an
dem Stoffbären ausprobiert.“ Der Satz platzt wie eine Bombe in den
Gerichtssaal. Ich sehe direkt, wie Ulli die Luft anhält. Ulli, jetzt heißt es
Ohren anlegen.
Nachdem wir die Villa gekauft hatten, waren wir wieder öfter
mit Gabi und Ulli zusammen. Die Zwillinge waren inzwischen in der Vorschule,
Gabi hatte ihren Facharzt und meine eigenen Ambitionen liefen so sehr in
Richtung Familie, dass mich zwei tobende Kinder nicht mehr störten. Ich fand es
herrlich, wenn sie laut quiekend durch unser Haus rannten und stellte mir vor,
wie es mit unseren eigenen werden würde. Denn darin waren Michael und ich uns
einig: Zwei sollten es schon sein. Wir hatten zwei Zimmer im Haus noch nicht
eingerichtet, wir haben sie von Anfang an die Kinderzimmer genannt. Meinen Job sah
ich jetzt als Zeitvertreib an, bis es so weit wäre.
„Irgendwie ist es ja albern, eine erwachsene Frau mit einem
Stoffbären. Das Ding war doch bloß ein Staubfänger. Er saß immer in der Küche
auf der Fensterbank. Und eines Tages, nachdem ihr Mann die Kurve gekratzt hatte,
hat sie ihn massakriert. Mit einem Küchenmesser nehme ich an. 17 Löcher vorne,
aus denen die Füllung rausquoll, eines im Rücken. Und den Kopf von dem Ding hat
sie auch versucht, abzuschneiden. Sie hat wohl gedacht, dass ich das nicht sehe,
weil sie ihn in den Müll geschmissen hat, aber ich habe das Ding sofort
gesehen. Da ist mir doch ganz anders geworden, damals schon. Ich hatte seitdem
das unbestimmte Gefühl, dass noch was Schlimmes passieren würde.“
Die Zuhörer im Gerichtssaal werden unruhig. Ja, ich hatte
meine Tat nicht nur geplant, sondern sie an Alter Ego sogar ausprobiert. Einige
Journalisten stürmen nach draußen. Schnell eine Meldung machen. Ulli wirft mir
einen tiefgründigen Blick zu.
Ich habe mich so oft gefragt, ob Michael sich verändert
hatte. Mir war nichts aufgefallen. Obwohl Michael sich inzwischen einen Namen
als einer der „großen“ Anwälte der Stadt gemacht hatte, war er immer noch der
jungenhafte, zurückhaltende, zärtliche Mann, in den ich mich einmal verliebt
hatte. Mit Michael konnte man nicht streiten. Wenn ich wieder einmal einen
meiner berühmt-berüchtigten Koller bekam, dann stand er einfach auf und ging
auf die Toilette. Wir haben uns immer so wunderbar ergänzt. Michael kümmerte
sich um alles, was Finanzen und Rechtsgeschäfte hieß, ich kümmerte mich
sozusagen um die Software.
Immer häufiger hatten wir große Gesellschaften zu Gast in
unserem Haus, die ich inzwischen auch furios bekochen konnte. Und jeden Monat
habe ich gebetet: Lieber Gott, bitte, lass meine Regel ausbleiben. Gabi, die
inzwischen eine Praxis als Frauenärztin führte, hatte mir bestätigt, dass bei
mir alles in Ordnung sei. Ich hatte schon Angst gehabt, dass ich für die
Abtreibung damals bestraft werden würde.
Jetzt ist der Psychiatrische Gutachter dran. Ich bin ihm
mehrmals vorgeführt worden, eigentlich habe ich das Gefühl, dass er zu meinen
Gunsten aussagen wird. Er heißt Dr. Lutz Bergmann und ist knapp vierzig. Seine
spiegelblanke Glatze hat mich immer fasziniert. Ich habe mich gefragt, ob er sie
mit irgendwas poliert.
Es war ein wunderschöner Urlaub. Die Luft war wie Seide, das
karibische Meer türkisgrün und wir in guter Stimmung. Die Band spielte unser
Lied: „Lady in Red“ Wir tanzten eng umschlugen in der kleinen Bar, unten am
Strand. Michael wurde so wild, dass unser Tanz fast etwas Pornografisches
bekam. „Komm“, flüsterte er mir ins Ohr, als die Musik verklungen war. Wir
zogen uns die Schuhe aus und liefen am Strand entlang in die kleine Bucht, wo
wir uns unter einem Gummibaum liebten, als sei es das erste Mal.
„Sybille Thalheim leidet an einer begrenzten Amnesie. Durch
das Verschwinden ihres Ehemannes war ihr ganzes Leben zusammengebrochen, sie
ist schwer traumatisiert. Sie hat die entstandenen Enttäuschungen und Verluste
durch Rachegedanken kompensiert. Als sie hörte, dass ihr Ehemann gesehen worden
war, hat sich ihr Aggressionsstau mit einer solchen Vehemenz gelöst, dass sie
meines Erachtens nach vorübergehend
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