Der 7. Tag (German Edition)
Dienstwagen
zurückgegeben und die Kündigung in den Papierkorb geworfen. Das alles ging mich
nichts mehr an. Das Leben ging mich nichts mehr an.
Ich hatte jetzt nur noch
Mutti. Sie hat mir zur Seite gestanden, mich unterstützt, mich weiterhin bemuttert
und das mit 69 Jahren. Auf die Straße habe ich mich nicht mehr getraut, zu viel
war in den Zeitungen berichtet worden. Jeder kannte mein Gesicht. ‚Ist das
nicht die...‘.
Ja, ich war die. Die mit dem
Mann, der mit 9,6 Millionen Euro abgehauen ist und seine schwangere Frau hat
sitzen lassen. Die, die vielleicht seine Komplizin war, wer weiß. Die, die das
Baby verloren hat. Wo der wohl ist? Sitzt wahrscheinlich mit einer blutjungen
Mieze auf den Caymans und lässt es sich gut gehen. Genauso haben sie geredet.
Es war mir egal, ich wollte nur nicht ihre Blicke sehen.
Unsere Freunde Gabi und Ulli
haben zu mir gehalten. Gabi ist oft bei mir vorbeigekommen. Und Ulli hat mir
berichtet, dass er auch ganz schön auseinandergenommen worden ist. Allerdings
konnten sie Ulli nichts anhaben. Michael und Ulli haben sich nur die
Kanzleiräume geteilt, sie hatten keine Sozietät.
Aber weder Mutti noch Gabi
konnten mich trösten. Wenn die Post kam, schmiss ich sie ungeöffnet auf den
Schreibtisch. Außer Rechnungen und Banküberweisungen war nichts dabei. Ich
schaute die Briefumschläge nur durch, ob irgendwo ein Lebenszeichen von Michael
zu finden war. Alles andere interessierte mich nicht. Ich vegetierte vor mich
hin, versuchte, die böse Welt auszuschließen.
Natürlich hatte ich wieder
angefangen zu rauchen. Und so manchen Abend habe ich mir gleich eine halbe
Flasche Gin reingezogen. Pur, versteht sich. Es war mir egal. Mein Anwalt
meinte, ich sollte meinen Konzern verklagen.
„Wozu“, fragte ich lasch.
„Na, von irgendwas müssen Sie
ja wohl leben.“
Darüber hatte ich mir noch
überhaupt keine Gedanken gemacht. Er hat für mich den Antrag auf
Arbeitslosenunterstützung ausgefüllt. Ich bekam den Höchstbetrag. Toll, davon
konnte ich gerade mal die Zinskosten für den Hauskredit bezahlen.
Über meine finanziellen
Verhältnisse hatte ich überhaupt keinen Überblick. Darum hatte sich immer
Michael gekümmert. Zumindest hatte ich jetzt kein Einkommen mehr. Und die
Immobilienkredite liefen weiter. Ich rauchte, trank und vergrub mich in
Selbstmitleid.
Der Gerichtsvollzieher wurde
Stammgast bei mir zu Hause. Mir flog ein Kredit nach dem anderen um die Ohren.
Natürlich hatten sie mich vorgewarnt. All die ungeöffneten Briefe! Ich hatte
keine nennenswerten Einkünfte mehr, also gab es auch keine Abbuchungen von
meinem Konto. Meine American Express-Karte war weg, meine Visa-Karte,
Diners-Club und Eurocard wurden gesperrt. Mein Überziehungskredit wurde
gekündigt. Erstaunlich, dass ich noch einen Ausweis habe. Ich hatte das Gefühl,
alle meine bürgerlichen Ehrenrechte zu verlieren. So war das also, dachte ich
damals: Das, was du warst, warst du nur von Gnaden des Konzerns.
Natürlich wollten die Banken
das Geld für die gekündigten Kredite jetzt und sofort. Wovon zum Teufel sollte
ich plötzlich das ganze Geld auf einen Haufen zahlen? Ich nahm es zunächst
gelassen. Sollten sie doch machen, was sie wollten. Ich hatte jedenfalls kein
Geld, alles, was wir in bar besessen hatten, steckte in der Villa, ebenso wie
das Geld von Mutti. Sie hatte ihr süßes kleines Haus in Dahlem, in dem ich
aufgewachsen war verkauft, damit wir das große Haus in Zehlendorf kaufen
konnten. Mutti hatte uns beiden das Geld zu Lebzeiten gegeben, dafür hatten wir
ihr im Erdgeschoss eine Wohnung eingerichtet. Aber an die Villa würden sie nicht
rankommen, denn die gehörte Michael und mir zusammen. So etwas kann man nicht
so einfach pfänden. Dachte ich. Aber da hatte ich die Rechnung ohne die Banken
gemacht.
Michaels Mandanten hatten
natürlich nicht nur Strafanzeige gestellt, sondern vor allem ihre Ansprüche
gegen Michael geltend gemacht. Ein paar ganz Schlaue hatten sich eine
Zwangshypothek auf die Villa eintragen lassen. So verlor ich die Villa,
zumindest auf dem Papier. Herr Meiners hat versucht, es mir zu erklären. „Nein,
sagte er, „Sie müssen jetzt nicht ausziehen. Aber faktisch gehört ihnen das
Haus nicht mehr. Wir müssen jetzt verhindern, dass das Haus unter
Zwangsverwaltung gestellt wird. Zunächst einmal werden wir Einspruch einlegen.
Bis das erledigt ist, kann es Jahre dauern, “ sagte Herr Meiners.
Und dann machte ich den
größten Fehler meines Lebens. Ich glaubte,
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