Der 7. Tag (German Edition)
dann nicht lange mit der Vorrede
aufgehalten.
„Alle Anderkonten sind
abgeräumt, Bille.“
Ich hörte die Englein singen.
Das Blut rauschte in meinen Ohren. Ich dachte, ich werde ohnmächtig.
„Wie viel?“
„Nach den jetzt vorliegenden
Erkenntnissen 9,6 Millionen Euro.“
Das also war Michaels Preis
gewesen.
„Nein, ich glaube das nicht,
Ulli, du kennst doch Micha, ich glaube es nicht. Bitte sag‘, dass es eine
Möglichkeit gibt, dass ihr euch geirrt habt.“
„Tut mir leid Bille, aber es
sieht verdammt danach aus. Wir müssen jetzt die Polizei benachrichtigen. Ich musste
dich vorwarnen.“
„Bist du verrückt“, schrie
ich, „du willst Micha ans Messer liefern!“
„Bille, wir müssen die
Polizei benachrichtigen. Sonst bekommen wir alle zusammen Schwierigkeiten wegen
Unterschlagung.“
„Was soll das heißen, Ulli?“
„Das heißt, dass sie uns alle
aufs Korn nehmen werden. Auch dich. Man wird uns auseinandernehmen, jede
einzelne Buchung deines Lebens werden sie prüfen. Ehefrauen sind beliebte
Komplizen, weißt du.“
Ich starrte Ulli fassungslos
an. Was wollte er mir damit sagen?
„Ulli, du glaubst doch nicht
etwa eine Sekunde, dass Michael das Geld genommen hat. Und ich hoffe doch wohl
sehr, dass du nicht mal im Ernst daran denkst, ich würde mit meinem ach so
diebischen Ehemann unter einer Decke stecken.“
„Bille, das habe ich nicht
gesagt. Ich habe nur gesagt, dass jetzt die Hölle losbrechen wird.“
„Was soll ich tun?“
„Nimm‘ dir einen Anwalt.“
„Wozu brauche ich einen
Anwalt, ich habe nichts verbrochen.“
„Bille, du bist doch sonst
nicht so naiv. Du brauchst dringend einen Anwalt.“
„Okay, mein Anwalt ist hier.“
„Nein Bille, ich bin
Strafverteidiger. Du brauchst einen Wirtschaftsanwalt, der das alles nachprüfen
kann. Außerdem stehe ich bald selbst unter Verdacht. Schließlich haben wir
gemeinsame Büroräume.
„Kannst du mir einen
empfehlen?“
„Ja, soll ich ihn anrufen?“
Und so kam ich zu Peter
Meiners, ein Studienkollege von Michael. Meiners kam sofort bei uns vorbei. Er
war ein ernst aussehender, etwas kantiger Mann. Normalerweise hätte ich sofort
Vertrauen zu ihm gehabt. Aber jetzt....
Wir fuhren gemeinsam in die
Kanzlei. Von dort aus rief Ulli die Polizei an.
Ich habe diesen Tag wie in
Trance erlebt. Die Polizisten, die kamen, waren sehr wortkarg. Wir störten
eher. Sie beschlagnahmten die gesamte Buchhaltung. Meiners fuhr mich später nach
Hause. Ich kauerte mich in meinen Lieblingssessel und starrte blicklos in den
Garten. 9,6 Millionen. War Michael bei dieser Summe schwach geworden? Ich
glaubte es nicht. Das konnte nicht sein, so war Michael nicht. Oder kannte ich
meinen Mann doch nicht so gut wie ich gedacht hatte? Nein, ich kannte meinen
Mann, da war ich mir sicher.
Am nächsten Tag erschien eine
Berliner Tageszeitung mit folgendem Lokalaufmacher:
„Berliner Notar vermisst – 9,6
Millionen Mandantengelder verschwunden.“
Natürlich habe ich sofort
einen Anruf aus der Zentrale meines Konzerns bekommen. „Sagen Sie mal, Frau
Thalheim...?“
Meine ganz private Tragödie
war über Nacht eine öffentliche geworden. Und alle, denen ich einmal in meinem
Leben aufs Füßchen getreten war, würden nun kein gutes Haar mehr an mir lassen.
Ich war mit sofortiger
Wirkung beurlaubt. Wenigstens meinen Job konnten sie nicht kündigen, ich war
schließlich schwanger. Das wussten sie aber noch nicht und ich habe es erst mal
für mich behalten. Wie sehr hatte ich um diesen Job gekämpft. Auch wenn ich
mich jetzt Richtung Familie (schöne Familie!) orientiert hatte, so war es mir
überhaupt nicht egal, was meine Kollegen von mir dachten. Der Konzern war mein
Leben gewesen, ein Leben, das ich sehr geliebt hatte.
Das Telefon stand nicht
still. Ich hatte auf Anrufbeantworter geschaltet. Alle Lokalchefs der Berliner
Medien riefen an.
„Hallo, Bille, hier spricht
Frank. Ist da was dran, was ich da gelesen habe? Bitte ruf‘ mich zurück.“
Na klar, sie hatten alle
meine Handynummer, falls abends oder am Wochenende eine dringende Stellungnahme
des Konzerns eingeholt werden musste. Und die lieben Kollegen von den Zeitungen
recherchierten. Morgen würde Sybille Thalheim öffentlich seziert werden, dazu
brauchte ich nicht zurückzurufen. Ich machte es, wie alle Politiker, die in den
Brennpunkt eines Skandals kommen, ich ging auf Tauchstation.
Mutti war bewundernswert. Sie
machte sich solche Sorgen um mich, hielt sich aber tapfer. Sie ließ
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