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Der 7. Tag (German Edition)

Der 7. Tag (German Edition)

Titel: Der 7. Tag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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Hass.
Es war das einzige, was mich am Leben erhielt, das einzige wofür ich gelebt
habe. Ich würde ihn finden.
    Die Monate vergingen, ohne
dass ich irgendein Ergebnis gehabt hätte. Es gab weit und breit keine Frau,
kein Motiv. Ich habe versucht, zu vergessen, wie sehr ich Michael geliebt habe.
Ich habe versucht zu vergessen, wie sehr er mich geliebt hat. Nur unseren
Ehering, den habe ich weiter getragen. Bis dass der Tod uns scheidet.
    Auch die Polizei war nicht
weiter gekommen. Eins allerdings haben sie herausbekommen. In der gleichen
Nacht, in der Michael verschwunden ist, wurde im Parkhaus in Tegel ein VW
gestohlen. Der VW wurde später in Koblenz gefunden. Michael hatte also
versucht, über die Grenze zu kommen. Natürlich gab es in Koblenz diverse
Autodiebstähle. Da niemand wusste, wann genau der VW in Koblenz abgestellt
worden ist, konnte nicht mehr zurückverfolgt werden, mit welchem Wagen Michael
weiter geflohen ist. Ich hatte mir wirklich einen tollen Ehemann angelacht:
Jetzt klaute er auch Autos.
    Schweiz, dachte ich, Michael
ist in die Schweiz gefahren und hat das Geld auf ein Nummernkonto eingezahlt.
Also versuchte ich, herauszubekommen, ob ein Michael Thalheim von Zürich aus
irgendwo hingeflogen sei. Das hatte die Polizei auch versucht. Mit dem gleichen
Ergebnis: Michael Thalheim ist nirgendwo in der Schweiz in einen Flieger
gestiegen. Weder in der Schweiz, noch in Luxemburg, noch in Österreich, noch
sonst wo in Europa. Michael Thalheim war einfach verschwunden.
    Also versuchte ich es mit
Logik. Ich wandte mich an meinen Anwalt und stellte eine blöde Frage: Wohin
kann man fliehen, ohne ausgeliefert zu werden. Er machte mir eine Liste. Von
diesen Zielen konnte ich alle streichen. Michael würde sich nie irgendwo
niederlassen, wo man eine Sprache sprach, die er nicht kannte. Ich war genauso
schlau wie vorher.
    Das Jahr schleppte sich
dahin. Ich hatte sowieso jedes Gefühl für Zeit und Raum verloren. Ich trank zu
viel, rauchte zu viel und tat zu wenig, um aus diesem Teufelskreis wieder
herauszukommen. Alle meine Nachforschungen landeten im Nichts. Bis zu jenem Tag
im Februar 2009. Ich war mit einem schrecklichen Kater aufgewacht und versuchte
gerade ein Glas Wasser gegen die Übelkeit zu trinken. Da klingelte das Telefon.
Es war Rita, die Empfangssekretärin aus Michaels Kanzlei. Sie müsse mir etwas
sagen, begann sie ein wenig stotternd.
    „Ich glaube, ich habe am
Wochenende Herrn Thalheim gesehen“, sagte sie.
    Mir stieg die Magensäure
hoch: „Wie bitte?“
    „Ja, es ist ja irgendwie
komisch, ich meine, natürlich, er hatte zwar längere dunkelbraune Haare und
braune Augen, aber ich bin sicher, dass es Ihr Mann war.“
    „Wo?“ fragte ich gebannt.
    „Na, ja, ich war am
Wochenende bei meiner Tante zu Besuch. Tante Trude ist 60 geworden, wissen Sie.
Deshalb sind wir nach Mahlow gefahren. Um sie zu besuchen, meine ich. Wir haben
uns natürlich total verfahren. Mein Mann hasst es ja, wenn ich jemanden frage,
wo es lang geht.
    „Und“, unterbrach ich sie
ungeduldig.
    „Also, auf jeden Fall, wir
haben den Weg nicht gefunden. Aber die Straße war total leer. Und dann haben
wir an einer Wirtschaft gehalten. Also, mehr so eine Eisdiele. Und da bin ich
rein und da stand ein Mann am Tresen. Also, wie gesagt, er hatte zwar eine
andere Haarfrisur und eine andere Haarfarbe, auch mit den Augen stimmte was
nicht, weil, ich meine, weil Herr Thalheim doch immer eine Brille getragen hat,
aber, also, der Mann hat ganz erschreckt geschaut, als ich reinkam. So als
würde er mich irgendwie wiedererkennen. Ich war auch erschreckt und habe ihn
gefragt, also, er war der einzige Gast, also ich habe ihn gefragt, wo denn die Mozart
Straße ist. Er hat sich ganz schnell umgedreht und gemurmelt, er weiß es nicht.
‚Ich bin nicht von hier‘, hat er gesagt. Und die Stimme, das war Original Herr
Thalheim, ich schwöre es. Also, ich bin ganz schnell weggelaufen und habe zu
meinem Mann gesagt...“
    „Rita, wissen Sie noch, wo die
Eisdiele war?“ fragte ich dazwischen.
    „Äh, nein, aber..“
    „Danke Rita. Behalten Sie
doch bitte Ihren Verdacht erst mal für sich.“
    Ich ließ den Telefonhörer
fallen. Konnte das möglich sein, dass mein Göttergatte gerade mal 50 Kilometer
von mir entfernt war? Ich ließ mir die braunen Haare und die braunen Augen
durch den Kopf gehen. Haare konnte man wachsen lassen und färben. Und dass es
wunderbare Kontaktlinsen in allen Farben gab, hatte sich sogar schon bis zu

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