Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
König herrschen und er selbst, Guthwulf, an seiner Seite stehen würde. Ja, Elias war jetzt König, aber der Rest der Geschichte hatte sich irgendwie anders entwickelt. Nur ein dickköpfiger jungerTrottel wie Fengbald konnte so töricht sein, das nicht zu merken … oder so ehrgeizig, dass es ihn nicht kümmerte.
Guthwulf hatte sich vor Beginn der Belagerung das ergrauende Haar dicht am Kopf abscheren lassen. Nun saß ihm der Helm lose. Und obwohl er ein starker Mann war und noch in den besten Jahren, hatte er fast das Gefühl, als schrumpfe er in seiner Rüstung und werde immer kleiner und kleiner.
War er denn der Einzige, der sich Sorgen machte, fragte er sich. Vielleicht war er in den vielen Jahren, in denen er kein Schlachtfeld mehr zu Gesicht bekommen hatte, weich und weibisch geworden.
Aber das konnte nicht stimmen. Gewiss, vor vierzehn Tagen bei der Belagerung hatte sein Herz schneller geschlagen, aber das war der jagende Puls der Kampfeslust gewesen, keine Furcht. Gelacht hatte er, als die Feinde sich auf ihn stürzten. Mit einem einzigen Hieb seines Langschwertes hatte er einem Mann das Rückgrat gebrochen und hatte seinerseits so manchen Schlag eingesteckt, ohne aus dem Sattel zu fallen, war mit dem Pferd so gewandt wie vor zwanzig Jahren – oder noch besser. Nein, verweichlicht war er nicht. Nicht auf diese Art.
Er wusste auch, dass er nicht der Einzige war, der wachsende Unruhe verspürte. Auch wenn hier eine jubelnde Menge stand – zum größten Teil bestand sie nur aus den jungen Schlägern und Trunkenbolden der Stadt. Eine beträchtliche Anzahl der Fenster, die auf die Mittelgasse von Erchester hinausgingen, war mit Läden versperrt; von den übrigen zeigten nicht wenige nur einen Streifen Dunkelheit, durch den die Bürger lugten, die es nicht danach gelüstete, herunterzukommen und ihrem König zuzujubeln.
Guthwulf drehte den Kopf, um nach Elias zu sehen, und ein unangenehmer Schauder überlief ihn, als er erkannte, dass der König seinerseits ihn anstarrte – ein in sich versunkener, grüner Blick. Fast wider Willen nickte Guthwulf. Der König erwiderte die Geste steif und musterte dann mürrisch das Volk von Erchester, wie es ihn willkommen hieß. Elias, der unter den Schmerzen einer nicht näher erklärten, jedoch unbedeutenden Erkrankung litt, hatte seinen Planwagen erst ungefähr eine Achtelmeile vor ihrer Ankunft am Stadttor verlassen, um sein schwarzes Schlachtross zu besteigen. Dennochritt er gut und verbarg erfolgreich alle Beschwerden, die ihm zusetzen mochten. Der König war magerer als in früheren Jahren, die feste Linie seines Kinns sehr deutlich erkennbar. Bis auf die fahle Haut – im fleckigen Licht des Nachmittags nicht so auffällig wie sonst – und den unsteten, finsteren Blick sah Elias schlank und kraftvoll aus, wie es sich für einen Kriegerkönig gehört, der im Triumph von einer erfolgreichen Belagerung nach Hause kommt.
Heimlich warf Guthwulf einen besorgten Blick auf das graue Schwert mit dem doppelten Stichblatt, dessen Scheide gegen die Hüfte des Königs schlug. Verfluchtes Ding! Wie sehr er doch wünschte, Elias möge die verdammte Klinge in den nächsten Brunnen werfen. Guthwulf wusste über jeden Zweifel hinaus, dass etwas mit dem Schwert nicht stimmte. Auch in der Menge schienen einige offenbar das Gefühl des Unbehagens zu spüren, das von der Klinge ausging, aber nur Guthwulf hatte sich oft genug im Umkreis von Leid aufgehalten, um die wahre Ursache dieses Unwohlseins zu erkennen.
Auch war das Schwert nicht das Einzige, das den Menschen von Erchester Sorgen bereitete. So wie der König, jetzt am Nachmittag hoch zu Ross, vormittags noch ein kranker Mann in einem Wagen gewesen war, so war auch die Niederwerfung von Naglimund nicht der glorreiche Sieg eines Königs über seinen thronräuberischen Bruder gewesen. Guthwulf wusste, dass selbst hier, so fern vom Schauplatz der Ereignisse, die Bürger von Erchester und dem Hochhorst davon gehört hatten, wie sonderbar und grauenvoll das Los von Josua und seinen Gefolgsleuten ausgefallen war. Und selbst wenn sie es nicht wussten, die eher angewiderten Mienen und hängenden Köpfe eines Heeres, das jubelnd und im Vollgefühl seines Sieges hätte Einzug halten sollen, ließen erkennen, dass nicht alles so war, wie es sein sollte.
Es war mehr als nur Scham, dachte Guthwulf, und mehr als nur das Gefühl von Entmutigung – bei ihm wie bei den Soldaten. Was sie empfanden und nicht völlig verbergen konnten, war
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