Der Adler ist entkommen
Selbst bei Vollmond brauche ich irgendeine Orientierungshilfe.« Er nickte, während er überlegte. »Damals, in Kalifornien, war mein Fluglehrer ein ehemaliges Mitglied der Lafayette Excadrille in Frankreich. Ich erinnere mich, daß er mir einiges aus den alten Zeiten erzählte, als alles noch etwas primitiver war als heute. Damals stellten sie ein paar Batterielampen in Form eines umgekippten L auf, und zwar mit dem Querbalken gegen den Wind.«
»Das dürfte zu machen sein«, sagte Devlin.
»Nun zum Flugzeug - es müßte eine kleine Maschine sein. So etwas wie der Fieseler Storch.«
»Ja, sicher, ich hoffe, das läßt sich machen«, meinte Schellenberg. »Ich habe mit dem Kommandierenden der Abteilung für feindliches Fluggerät gesprochen. Sie sitzen in Hildorf. Von Berlin aus sind es mit dem Auto zwei Stunden. Sie erwarten uns morgen früh. Er meint, sie hätten eine geeignete Maschine für uns.«
»Das war's dann wohl.« Asa stand auf. »Und was geschieht jetzt?«
»Wir gehen essen, mein Sohn«, erklärte Devlin. »Das beste, was der schwarze Markt zu bieten hat. Dann kommen Sie mit mir zu Frau Huber und übernachten in meinem Zimmer. Keine Angst, Sie haben Ihr eigenes Bett.«
Die Kapelle im St. Mary's war kalt und feucht, und es roch nach Kerzenwachs und Weihrauch. Im Beichtstuhl wartete Father Frank Martin, bis die Nonne, der er gerade die Beichte abgenommen hatte, gegangen war. Danach knipste er die Beleuchtung aus und verließ den Beichtstuhl.
Er war der leitende Geistliche von St. Patrick's zwei Straßen weiter, und daher gleichzeitig der Beichtvater des Klosters. Mit seinen sechsundsiebzig Jahren war er ein kleiner, zierlicher Mann mit schlohweißem Haar. Wäre der Krieg nicht gewesen, so hätte man ihn längst in den Ruhestand geschickt, aber in diesen Zeiten wurden alle gebraucht.
Er ging in die Sakristei, zog das Meßgewand aus und faltete sorgfältig seine violette Stola zusammen. Er griff nach seinem Regenmantel und dachte daran, heute einmal früher Feierabend zu machen, doch Mitgefühl und christliche Nächstenliebe behielten die Oberhand. Achtzehn Patienten lagen zur Zeit im Hospiz, sieben davon schon vom Tod gezeichnet. Ein letzter Rundgang durch die Zimmer würde nicht schaden. Er hatte die Kranken zwar bereits am frühen Nachmittag besucht, aber er
wollte es noch einmal tun.
Er verließ die Kapelle und sah, wie die Priorin, Schwester Maria Palmer, den Fußboden wischte, eine niedere Arbeit, die sie an das erinnern sollte, was sie für ihre größte Schwäche hielt: die Sünde des Hochmuts.
Father Martin blieb stehen und schüttelte den Kopf. »Sie sind zu streng mit sich.«
»Nicht streng genug«, widersprach sie ihm. »Ich freue mich, Sie zu sehen. Seit ihrem letzten Besuch hat es eine Veränderung gegeben. Man hat uns wieder einen deutschen Kriegsgefangenen gebracht.«
»Tatsächlich?« Sie gingen aus der Kapelle in die Eingangshalle.
»Ja, einen Offizier der Luftwaffe, erst kürzlich verwundet, aber schon wieder auf dem Weg der Besserung. Ein Colonel Kurt Steiner. Sie haben ihn ins oberste Stockwerk gelegt, genau wie die anderen, die bei uns waren.«
»Was ist mit Wächtern?«
»Ein halbes Dutzend Militärpolizisten. Das Kommando führt ein junger Second Lieutenant namens Benson.«
In diesem Moment kamen Jack Carter und Dougal Munro die Haupttreppe herunter. Schwester Maria Palmer fragte: »Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit geregelt, Brigadier?«
»Absolut«, antwortete Munro. »Wir bemühen uns, Ihnen so wenig Unannehmlichkeiten zu bereiten wie möglich.«
»Sie machen keine Unannehmlichkeiten«, sagte sie. »Übrigens, das ist Father Martin, unser Geistlicher.«
»Freut mich«, sagte Munro und wandte sich an Carter. »Ich muß mich jetzt beeilen, Jack. Vergessen Sie nicht, einen Doktor zu holen, der ihn untersucht.«
Schwester Maria Palmer meinte: »Wahrscheinlich wurde Ihnen nicht mitgeteilt, Brigadier, daß ich Ärztin bin. Ich glaube, daß wir Oberst Steiner durchaus geben können, was er braucht. Da Sie offensichtlich fertig sind, gehe ich mal hinauf und schaue nach, wie es ihm geht.«
Jack Carter machte ein skeptisches Gesicht. »Nun, wissen Sie, Schwester, ich halte das nicht für gut.«
»Captain Carter, dieses Kloster, das ich leite, ist nicht nur ein Haus Gottes, sondern auch ein Ort, wo wir uns um die Kranken und die Sterbenden kümmern. Ich habe Oberst Steiners Krankenbericht
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