Der Adler ist entkommen
seinem Schreibtisch saß, blickte auf. »So, Herr General, und das ist Hauptsturmführer Vaughan, der Pilot, den Sie für die Steiner-Mission ausgewählt haben?«
»Ja, mein Reichsführer.«
»Gibt es Neuigkeiten von Ihrem Herrn Devlin?«
Schellenberg schüttelte den Kopf. »Ich fürchte nein, Herr Reichsführer.«
»Nun ja, es war von Anfang an eine ziemlich heikle Mission, gelinde ausgedrückt. Der Führer fliegt nach Cherbourg und trifft morgen auf Château de Belle Ile ein. Canaris und Rommel werden gegen sieben Uhr das Frühstück mit ihm einnehmen. Ich werde natürlich auch dort sein. Die Idioten sind zur Zeit in der Normandie unterwegs. Sie haben die verrückte Vorstellung, daß die Invasion dort stattfinden wird, und hoffen, den Führer davon überzeugen zu können.«
»Ich verstehe, Herr Reichsführer.«
»Nun jedoch zum Grund Ihres Besuchs und warum ich Sie bat, diesen Offizier dort mitzubringen.« Er wandte sich um. »Rossmann.«
Während er aufstand, klappte Rossmann eine Ordensschatulle auf. Himmler nahm das Eiserne Kreuz, das darin lag, heraus. Er kam um den Tisch herum und heftete es an Asa Vaughans Uniformrock.
»Für Sie, Hauptsturmführer Asa Vaughan von der George Washington Legion, in Anerkennung für außerordentliche Tapferkeit im Luftkampf über Polen.«
»Herr Reichsführer«, sagte Asa Vaughan und konnte sich nur
mit äußerster Mühe das Lachen verkneifen.
»Und nun können Sie gehen. Ich habe zu arbeiten.«
Schellenberg und Asa Vaughan eilten die Treppen hinunter, holten sich ihre Mäntel und Mützen und liefen zu dem wartenden Mercedes.
»Zurück zum Flugplatz«, wies Schellenberg den Fahrer an, und er und Asa stiegen ein.
Während sie losfuhren, schloß Asa Vaughan die Trennscheibe. »Was halten Sie davon?« fragte er.
»Eines weiß ich genau«, sagte Schellenberg. »Hitler jetzt zu töten, wäre das schlimmste, was passieren kann. Angesichts der Tatsache, daß der Führer eine falsche Entscheidung nach der anderen trifft, besteht die begründete Hoffnung, daß dieser Krieg bald ein halbwegs erträgliches Ende findet. Unter Himmlers Führung sähe das wohl anders aus. Können Sie sich vorstellen, daß dieses Tier die totale Kontrolle an sich reißt, nicht nur über die SS, sondern auch über das ganze Volk, die Wehrmacht? Der Krieg würde noch Jahre dauern.«
»Und was werden Sie jetzt tun? Rommel und Canaris warnen?«
»Zunächst einmal weiß ich gar nicht, wo sie sich im Augenblick aufhalten. Und dann ist da noch die Frage der Glaubwürdigkeit, Asa. Warum sollte man auf mich hören? Mein Wort stünde gegen das des Reichsführers der SS.«
»Ich bitte Sie, Herr General. Laut Liam Devlin sind Sie ein ganz gewiefter Stratege. Ihnen fällt doch sicherlich etwas ein, oder etwa nicht?«
»Ich werde mir alle Mühe geben«, versprach Schellenberg. »Vorerst müssen wir zusehen, daß wir zum Flugplatz und zu unserem Storch zurückkommen. Und dann starten wir sofort. Je eher wir in Chernay sind, desto besser.«
12
Der diensthabende Militärpolizist brachte Steiner jeden Vormittag um elf Uhr eine Tasse Tee. Diesmal verspätete er sich um fünf Minuten und traf den Deutschen am Fenster sitzend und lesend an.
»Bitte sehr, Colonel. Wohl bekomm's.«
»Vielen Dank, Corporal.«
»Kaffee wäre Ihnen sicherlich lieber, nicht wahr, Sir?« meinte der Unteroffizier und hoffte, ein Gespräch anfangen zu können. Steiner wurde ihm immer sympathischer.
»Aber ich bin mit Tee großgeworden, Corporal«, erzählte ihm Steiner. »Ich bin hier in London zur Schule gegangen. In das St. Paul's.«
»Tatsächlich, Sir?«
Er wandte sich zur Tür, um zu gehen, und Steiner fragte: »Ist Lieutenant Benson schon zurück?«
»Sein Urlaub dauert genau bis Mitternacht, Sir, aber so wie ich ihn kenne, wird er heute abend noch auftauchen. Sie wissen ja, wie diese jungen Offiziere sind. Immer im Dienst. Sie sind ganz heiß auf den zweiten Streifen an ihrer Schulter.«
Er verabschiedete sich, der Riegel wurde vorgeschoben, und Steiner setzte sich wieder auf seinen Platz am Fenster. Dort wartete er auf die Mittagsstunde, wie er es schon am Tag vorher getan hatte, trank seinen Tee und versuchte, sich in Geduld zu fassen.
Es regnete wieder, und ein so dichter Nebel lag auf der Stadt, daß Steiner kaum bis zur anderen Seite des Flusses blicken konnte. Ein sehr großer Frachter legte von den Docks
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