Der Agent - The Invisible
bitte einen Gefallen, okay? Versuchen Sie, sich zu entspannen, und hören Sie mit der Fragerei auf. Das wird unseren Mann nur nervös machen, wovon wir bestimmt nicht profitieren werden.«
Für einen langen Augenblick wartete er vergeblich auf eine Antwort. Sie blickte ihn schweigend an, Regen lief über ihr Gesicht. Schließlich nickte sie zustimmend.
»Danke. Glauben Sie’s mir, diese Geschichte ist bald überstanden.
Ich kann es auch kaum abwarten, von hier wegzukommen.«
»Nun, es hängt davon ab, oder?«, sagte sie, während sie durch das Labyrinth von Transformatoren gingen.
»Wovon?«
»Ob uns danach ein hübscherer Ort erwartet.«
Kealey lächelte, beeindruckt, dass sie Haltung bewahrte. Hier waren sie, mitten in einem Sturm, klatschnass, Undercoveragenten ohne jede Unterstützung, und doch brachte sie es fertig, eine humorvolle Bemerkung zu machen. Das war bewunderungswürdig. Doch ihm blieb keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Als sie an einem Sockel mit einem Schaltkasten vorbei waren, sah er mitten auf dem Kiesweg, direkt vor dem Kontrollhäuschen, die verschwommene Silhouette eines Mannes.
»Ich denke, das ist er«, flüsterte Pétain überflüssigerweise. Als sie näher kamen, studierte Kealey das Äußere des Mannes. Er hatte einen knielangen Regenmantel an und trug unter der übergroßen Kapuze eine schwarze, wollene Schiebermütze, was Kealey angesichts der erstickenden Schwüle merkwürdig vorkam. Seine schwarze Hose steckte in olivfarbenen Gummistiefeln, sodass davon nur ein kleines Stück unter dem Mantel sichtbar war.
Als er sie bemerkte, hob der Mann den Kopf und lächelte. Durch den grauen Regenvorhang glaubte Kealey zu erkennen, dass er grüne Augen, einen dichten schwarzen Schnurrbart und eine Knollennase hatte. Dann nahm der Mann die Kapuze ab und musterte sie eingehend. Jetzt fiel Kealey noch etwas auf. Wie Abdul wirkte auch dieser Mann mit seiner wettergegerbten Haut, als hätte er monate-, wenn nicht jahrelang unter freiem Himmel gelebt.
»Willkommen in Pakistan«, sagte er, Kealey und Pétain nacheinander anblickend. »Ich entschuldige mich für die lange Fahrt und die notwendigen Umwege. Danke für Ihre Nachsicht.«
»Wer sind Sie?«, fragte Kealey.
»Mein Name ist unwichtig, aber während unseres kurzen Zusammenseins können Sie mich Fahim nennen.«
»Fahim?«, murmelte Pétain. Sie beugte sich zu Kealey vor, damit man sie trotz des prasselnden Regens und des Donners verstehen konnte. »Ich dachte, Sie hätten gesagt, er heiße Khan.«
Kealey ignorierte ihre Bemerkung und dachte stattdessen über Fahims bemerkenswert flüssiges und fehlerfreies Englisch nach, das einen britischen Akzent hatte. Fahim musste längere Zeit in England gelebt haben, hatte wahrscheinlich sogar an einer sehr guten Universität studiert, etwa in Cambridge, Oxford oder am Londoner King’s College. Zugleich hinterließ seine äußere Erscheinung einen völlig anderen Eindruck. Der Widerspruch verblüffte Kealey, doch er schüttelte seine Neugier ab und rief sich den Grund ihres Aufenthalts in Pakistan ins Gedächtnis.
»Also, wo ist er?«, fragte er schließlich. »Mengal, meine ich. Wir müssen unbedingt …«
»Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen ins Wort falle, aber wir müssen noch ein kleines Problem klären, bevor wir zum geschäftlichen Teil kommen«, unterbrach Fahim, der eine Hand hob, als wollte er um etwas Geduld bitten. »Mr. Kealey, man hat mich informiert, dass Sie im Anarkali-Bazar etwas gekauft haben. Stimmt das? Bevor Sie antworten, möchte ich Sie daran erinnern, dass Sie die ganze Zeit über beschattet wurden.«
Kealey zögerte, hob aber dann das T-Shirt an seinem Rücken
an und zog das Messer mit dem Holzgriff und der langen Klinge aus der Lederscheide an seinem Gürtel.
Fahim lächelte nachsichtig. »Werfen Sie es bitte rüber.«
Kealey gehorchte, und das Messer landete anderthalb Meter vor Fahim auf dem Kiesweg. Er hob es auf und studierte die Klinge.
»Damit kann man nicht viel anfangen, was?«, sagte er. »Aber wahrscheinlich ließ sich in der kurzen Zeit nichts Besseres auftreiben. Ich war von einem freundschaftlichen Treffen ausgegangen, Mr. Kealey, arrangiert von einem gemeinsamen Freund. Ich frage mich, warum Sie sich unbedingt bewaffnen mussten.«
»Ihr Fahrer ist auch bewaffnet«, bemerkte Kealey. »Bei Ihnen sieht’s vermutlich nicht anders aus. Sie kennen das Spiel.«
»Genau, ich kenne es.« Er drehte sich um, holte aus und schleuderte das Messer über den
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