Der Agent - The Invisible
sich jedoch darüber zu äußern, wen er entführen wollte. Als Gegenleistung für die von Saifi erwarteten Dienste hatte er ihm die Freiheit versprochen, was sich durch Freunde in der algerischen Regierung regeln ließ. Zudem hatte er Saifi Geld und Waffen zugesagt, damit er seine zerbröckelnde Organisation in Nordafrika neu aufbauen konnte. Und letztlich hatte er ihm die Hauptrolle bei dem Anschlag auf den Autokonvoi überlassen. Durch das Medienecho, das eine solche Tat hervorrief, wurde man schlagartig berühmt und stand auf einer Stufe mit internationalen Topterroristen wie Carlos, bin Laden oder Abu Nidal.
Saifi hatte die Gelegenheit begeistert beim Schopf ergriffen, nicht weiter überraschend angesichts der Tatsache, dass er sonst noch zwanzig Jahre hinter Gittern gesessen hätte. Bis jetzt hatte er sich als verlässlicher Partner erwiesen, doch irgendetwas an seinem Verhalten wirkte auf Mengal äußerst beunruhigend. Auch Kureshi war es aufgefallen. Zwar hatte er dessen Worte vom Tisch gewischt, doch irgendwie nährten sie seine bereits vorhandenen Zweifel. Er kannte praktisch keine moralischen Skrupel und hätte absolut nichts dagegen gehabt, Fitzgerald zu töten, wenn der richtige Augenblick gekommen war. Saifis Verhalten war dagegen völlig unberechenbar, und deswegen konnte er zu einer Gefahr werden. Deshalb hatte er Fitzgerald nie mit dem Algerier allein gelassen, und als er jetzt
zu dem Mann hinüberblickte, dessen Freilassung er vor acht Wochen arrangiert hatte, wusste er wieder ganz genau, woher seine Befürchtungen kamen.
Der Algerier stand zwischen ihm und einem Scheinwerfer und schaute mit einem starren Blick auf Fitzgerald, die, an einen Stuhl gefesselt, vor der Flagge saß, mit gesenktem Kopf und einem zugleich schmerzverzerrten und trotzigen Gesicht, das Spuren der Misshandlung zeigte. Zunächst hatte sie sich geweigert, vor laufender Kamera zu sprechen, und Saifi war nur zu bereit gewesen, ihre Kooperationsbereitschaft zu erzwingen. Aber ihr blutverschmiertes Gesicht war für Saifi kein Grund, den Blick abzuwenden. Seine Miene änderte sich ständig und war schwer zu deuten, doch für Mengal lagen darin zugleich sadistische Lust, Bewunderung und nackter Hass. Seine Augen waren weit aufgerissen, und er lächelte unablässig, strahlend weiße Zähne entblößend, eingerahmt von dem verfilzten schwarzen Bart. Die Hände mit den langen dünnen Fingern steckten in den Falten seines Gewandes. Mengal musste seinen Namen mehrfach aussprechen, bis Saifi sich zu ihm umdrehte, und selbst diese Bewegung wirkte unnatürlich. Er bewegte nur mechanisch den Kopf, als wäre der Körper darunter gelähmt.
»Holen Sie unseren amerikanischen Arzt«, sagte Mengal, der es nicht fertigbrachte, dem Algerier direkt in die Augen zu blicken. Er hatte Angst, dass Saifi seine Bedenken erkennen und sie mit Angst verwechseln könnte. »Los, bringen Sie ihn her.«
»Bekommt er seinen Auftritt?«, fragte Saifi auf Arabisch, einer von mehreren Sprachen, die beide beherrschten.
»Ja.« Mengal hatte seit mehreren Stunden über das Pro und Kontra nachgedacht. Einige Aufnahmen mit Fitzgerald
und Saifi waren bereits im Kasten, doch es funktionierte einfach nicht. Es bedurfte einer zusätzlichen Attraktion, um die Botschaft zu verdeutlichen. Noch fehlte etwas, das bei der amerikanischen Regierung Eindruck machen würde, und die Außenministerin durfte nicht getötet werden.
Zumindest noch nicht.
»Was ist mit Kureshi?«
Mengal dachte kurz nach. Shaheed hatte den Arzt vor einigen Stunden in seinem Operationsraum eingesperrt, und er sah keinen Grund, warum er ihn jetzt benötigte. Craig war der richtige Mann.
»Er bleibt, wo er ist. Holen Sie jetzt den Amerikaner.«
Saifi nickte, stieß die schwere Tür auf und trat nach draußen. Einen Augenblick später wurde Mengal plötzlich durch ein knisterndes Geräusch aus seinen Gedanken gerissen, und er blickte zum anderen Ende des großen Raums, wo auf einem Holztisch sein Funkgerät lag. Als er losging, um sich zu melden, kam er an der offenen Tür vorbei, durch die warme Nachtluft und Regentropfen in die Scheune drangen.
»Ich sehe Mengal«, sagte Massi plötzlich. »Er ist in der Scheune und gerade an der Tür vorbeigekommen. Ich denke, er hat sich an der Nordseite des Gebäudes aufgehalten … Vorher war nichts von ihm zu sehen.«
»Verstanden«, antwortete Kealey. »Ist er bewaffnet?«
»Nein, aber wie gesagt, ich habe nicht den ganzen Raum im Blick. Vielleicht lehnt
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