Der Agent - The Invisible
bleibt hier?«
»Ja.« Mengal trat einen weiteren Schritt vor, und das Lächeln löste sich auf. »Aber Sie nicht. Sie müssen so schnell wie möglich das erforderliche Material besorgen. Fahren Sie nach Sialkot. Einer meiner Männer wird Sie begleiten. Ich werde mich auf die Suche nach diesem Craig machen und ihn herbringen. Sobald Sie die Frau geheilt haben, lassen wir Sie in Ruhe. Einverstanden?«
»Ja, General.« Kureshi glaubte ihm kein Wort, aber er war in einer aussichtslosen Lage. Jetzt konnte er nur versuchen, etwas Zeit zu gewinnen. »Einverstanden.«
17
Madrid
Nachdem er Kealey und Pétain an der Baustelle abgesetzt hatte, war Ramirez, der Anweisung folgend, kontinuierlich um den Häuserblock gefahren. Die ganze Zeit über hatte er starr geradeaus geblickt und jeden Versuch unterlassen, mit Naomi Kharmai ins Gespräch zu kommen. Das war für sie das einzige Positive an der ganzen verfahrenen Lage. Noch immer konnte sie nicht fassen, dass Ryan Pétain den Vorzug gegeben hatte, aber in gewisser Hinsicht fand sie es überhaupt nicht überraschend. Schlimmer noch, eine leise innere Stimme sagte, sie sei selbst schuld.
Sie hatte versucht, den Gedanken zu verdrängen, doch jetzt, allein im hinteren Teil des Lieferwagens sitzend, konnte sie der Frage nicht mehr ausweichen, was er sah, wenn er sie anblickte. Sicher war nur eines: Was immer er sah, erfreulich war es nicht. Es hatte eine Zeit gegeben, wo sie die aufrichtige Bewunderung und den Respekt genoss, die er ihr entgegenbrachte, doch diese Tage gehörten offensichtlich der Vergangenheit an. Wenn sie jetzt bemerkte, dass er sie anschaute, erblickte sie in seinen Augen nur Sorge oder Verärgerung. Manchmal beides. Sie berührte unbewusst die Narbe auf ihrer Wange, die selbst durch eine dicke Schminkschicht nicht ganz zu überdecken war. An die mitleidigen Blicke anderer Menschen hatte sie sich mittlerweile gewöhnt, doch in seinen Augen hatte sie diesen Ausdruck noch nie bemerkt. Der Gedanke, dass Sorge und Verärgerung
auch bei ihm in Mitleid umschlagen konnten, war fast unerträglich, doch sie wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war.
Sie lehnte sich gegen die Wand des Lieferwagens und schaute auf ihre Hände, die leicht zitterten. Nicht so sehr, dass es anderen aufgefallen wäre, aber sie spürte, wie sich der Tremor auf ihre Unterarme ausdehnte. Auch ihre Beine zitterten. Es war erst fünf Stunden her, seit sie die Tabletten genommen hatte, doch ihr Körper wollte bereits mehr. Sie schloss fest die Augen und kämpfte gegen eine plötzliche Übelkeit an. Ihre Gedanken waren bei den kleinen weißen Tabletten in ihrer Tasche. Die Versuchung war groß, denn im Hotel hatte sie Nachschub versteckt. Trotzdem wollte sie die Tabletten lieber aufbewahren für den Fall, dass sie nicht ins Hotel zurückkehren konnten. Sie dachte daran, Ramirez zu bitten, langsamer zu fahren, aber er sollte nichts von ihrer Übelkeit bemerken. Außerdem telefonierte er gerade mit angespannter Stimme, und sie wollte nicht stören.
Plötzlich wurde das Steuer hart nach rechts herumgerissen, sie wurde von der Bank geschleudert und rutschte über den Boden, mit der Hand nach etwas tastend, woran sie sich festhalten konnte. Dann machte Ramirez eine Vollbremsung, und sie prallte gegen die Trennwand. Es verschlug ihr den Atem, und einen Augenblick lag sie nur reglos da, mühsam um Luft ringend. Halb benommen richtete sie sich auf, um durch das rechteckige Loch in der Trennwand zu blicken. Sie wollte Ramirez wütend anfahren, überlegte es sich aber anders, als sie seine Miene sah.
»Das war Ihr Kumpel. Er ist mit Pétain in einem Wohncontainer am hinteren Ende der Baustelle, und sie haben ein ernstes Problem. Pétain hat auf Ghafour geschossen.«
Kharmai kämpfte den Schock nieder und dachte angestrengt
nach, irrelevante Fragen ignorierend. »Haben sie was aus ihm herausbekommen?«
»Nein. Aber er ist nicht bewusstlos … Sie arbeiten daran.«
»Was sollen wir tun?«
»Hierbleiben und auf den nächsten Anruf warten.«
»Wie bitte?«, fragte Kharmai überrascht. »Mehr hat er nicht gesagt?«
»Nein, das war’s.«
»Was für ein Schwachsinn. Wir müssen sie da rausholen. Ihnen bliebt keine Zeit mehr, um Ghafour auszuquetschen.«
Ramirez’ Miene verfinsterte sich. Tiefe Falten zerfurchten seine Stirn, die Mundwinkel hingen herab. »Ganz meine Meinung, aber das ist nicht unsere Sache. Sie haben gehört, was er gesagt hat … Wir bleiben, wo wir sind.«
Kharmai
Weitere Kostenlose Bücher