Der Agent - The Invisible
wusste, wie wichtig ihr ihre Arbeit war, und glaubte wirklich, dass die letztlich ihre Rettung sein konnte, wenn sie einen Weg fand, die Ereignisse des heutigen Tages hinter sich zu lassen.
Schickte er sie in ihrem jetzigen Zustand nach Langley zurück, war gut denkbar, dass man sie hinauswarf, ohne weitere Fragen zu stellen. Er konnte ihr das nicht antun, auch wenn eine leise Stimme in seinem Inneren sagte, dass es vielleicht am besten für sie wäre.
»Okay«, sagte er schließlich. »Ich bin mit Ihren Bedingungen einverstanden. Aber ich will, dass Naomi hierbleibt.«
Machado lehnte sich zurück und seufzte tief, offenbar sehr erleichtert, dass Kealey seinem Vorschlag zustimmte. »Sie werden mit Kharmai reden müssen«, sagte er. »Möglicherweise ist sie nicht gerade erfreut. Sie lassen sie hier zurück.«
»Das ist die Untertreibung des Jahres«, sagte Kealey. »Aber keine Sorge, ich präsentiere ihr einen Grund dafür, dem Vorschlag zuzustimmen.«
»Gut.« Machado stand auf und streckte die Hand aus. Kealey ergriff sie nur zögernd, noch immer darüber grübelnd, auf
was er sich da einließ. »Ich weiß unsere Vereinbarung mehr zu würdigen, als Sie ahnen. Mein Kontakt in Lahore wird Ihnen mit Sicherheit helfen, Mengal zu finden. Noch eines …«
»Ja?«
»Was wir vereinbart haben, bleibt unter uns«, sagte Machado leise. Es lag etwas wie eine versteckte Drohung in seinen Worten, die bei Kealey Alarm auslöste. »Kein Wort gegenüber Jonathan Harper, meiner Tochter oder irgendeinem anderen … Erzählen Sie, was immer Ihnen gefällt, aber unser Agreement bleibt unter uns. ¿ Entiende? « Verstanden?
Als Kealey gerade antworten wollte, nahm er hinter sich eine Bewegung wahr, und als er sich umblickte, sah er sich Marissa Pétain gegenüber. Sie schaute stirnrunzelnd zwischen ihm und ihrem Vater hin und her, doch Kealey bemerkte es nicht. Er starrte auf das klobige Satellitentelefon in ihrer rechten Hand.
»Es ist Harper«, verkündete sie, das unbehagliche Schweigen brechend. Sie streckte Kealey das Telefon entgegen, und er nahm es ihr wortlos aus der Hand. Als er in die Küche ging, glaubte er ihre Blicke auf seinem Rücken zu spüren. Dann schloss er die Tür und hob das Telefon ans Ohr.
»Ja, ich bin’s«, sagte er. »Was haben Sie herausgefunden? Irgendwelche Neuigkeiten über Mengal?«
»Reichlich«, antwortete Harper grimmig. »Aber Ihnen wird kein Wort davon gefallen.«
23
Cartagena
Zwanzig Minuten später war das Gespräch beendet. Kealey stand da, mit dem Satellitentelefon in der Hand, und ließ Harpers Worte Revue passieren. Dann trat er ins Wohnzimmer, wo niemand mehr war, und blickte durch die offene Tür in den Garten. Jetzt saß Marissa Pétain allein an dem Tisch, mit ihrem Weinglas spielend, offenbar tief in Gedanken versunken. Er dachte darüber nach, sie allein zu lassen, doch sie sollte erfahren, was gesagt worden war, und er hatte selbst einige Fragen auf dem Herzen. Fragen, die nicht bis zum nächsten Morgen warten konnten. Nachdem er in der Küche eine neue Bierflasche geöffnete hatte, gesellte er sich zu ihr.
Die nächtliche Luft war kühl und duftete nach Blumen und frisch gemähtem Gras. Als sie ihn kommen hörte, blickte sie auf, offenbar überrascht. Fast wäre sie aufgesprungen. »Also?«, sagte sie. »Wie geht’s jetzt weiter?«
Er setzte sich, legte das Satellitentelefon auf den Tisch und begann zu reden, zuerst über Benazir Mengal. Die Analysten der operativen Abteilung hatten gemeinsam mit ihren Kollegen von der Defense Intelligence Agency und vom National Counterterrorism Center ein umfassendes Persönlichkeitsprofil des früheren pakistanischen Generals zusammengestellt, und was sie ausgebuddelt hatten, war ziemlich besorgniserregend. Mengals langjährige Verbindung zum ISI war ein Thema für sich. Damit niemand zu mächtig wurde, durften Offiziere
der Armee nie länger als drei aufeinanderfolgende Jahre für den Geheimdienst arbeiten. Diese Regelung war von Pervez Musharraf in Kraft gesetzt worden, doch bei Mengal hatte man offensichtlich eine Ausnahme gemacht. Er war fast zehn Jahre lang ohne Unterbrechung Chef jener Abteilung des ISI gewesen, die für Jammu und Kaschmir zuständig war. In dieser Funktion hatte er - natürlich heimlich - mit Rebellen aus Kaschmir versucht, indische Truppenbewegungen zu entdecken und den Konflikt auf kleiner Flamme weiterköcheln zu lassen.
Und das waren nur die Fakten, die außer Zweifel standen. Die Gerüchte waren
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