Der Agent
überraschtes Gesicht. Denn ein Kobli war ein übernatürliches Wesen aus der dilbianischen Sage – eine Art boshafter, aber sehr mächtiger Kobold. „Ein Kobli“, wiederholte Keine Ruhe. „Und er ist gekommen, um eine von uns zu holen!“
Aller Augen wandten sich grimmig der zitternden, wimmernden Dilbianerin zu.
„Du und dein Reden, daß man seinen Ehemann über den Kopf schlagen soll, Holzkopf!“ flüsterte Keine Ruhe wütend. „Du weißt, was Koblis mit pflichtvergessenen Frauen machen!“
Holzkopf zitterte jetzt so stark, daß der Boden unter ihr mitbebte.
„Was sollen wir nun tun?“ flüsterte eine der anderen Frauen.
„Da gibt’s nur eins“, erklärte Keine Ruhe, immer noch im Flüsterton. „Vielleicht können wir den Kobli verjagen. Wenn ich das Zeichen gebe, werden wir alle um Hilfe schreien. Dann kommen die Männer mit Fackeln aus allen Häusern gelaufen. Also, ich zähle bis drei, und dann schreien wir alle los. Fertig?“
„Halt! Wartet!“ unterbrach Anita.
Bill, der bei der Aussicht auf einen Chor von lungenstarken Dilbianerinnen, die um Hilfe brüllten, gerade Fersengeld geben wollte, unterdrückte den Impuls noch rechtzeitig und wartete.
„Schreit lieber nicht“, sagte Anita hastig. „Ihr wollt doch wohl nicht alle Männer herbeiholen, und dann ist der Kobli weg, und wir können nicht einmal beweisen, daß er da war. Koblis machen uns Shorties nichts aus. Laßt mich hinausgehen und nachsehen. Vielleicht erhasche ich einen Blick auf ihn.“
Bill spähte wieder durch den Vorhangriß und sah, daß die Dilbianerinnen Anita entsetzt anstarrten. Der Gedanke, daß irgend jemand, geschweige denn eine Frau, ob Dilbianerin oder Shorty, einem Kobli gegenübertreten könnte, war offensichtlich so ungeheuerlich, daß es selbst Keine Ruhe die Sprache verschlug. Aber schließlich fand die Dicke ihre Sprache wieder.
„Sie machen euch nichts aus?“ wiederholte sie und vergaß vor lauter Staunen zu flüstern.
„Oh, wir hatten früher auch so etwas wie Koblis auf unserer Shorty-Welt“, erklärte Anita, „obgleich sie bei uns natürlich einen anderen Namen hatten. Aber Koblis, wie ihr wißt, mögen lieber Wälder als Städte und Dörfer, und deshalb sind unsere Koblis nach und nach verschwunden – so wie eure vielleicht auch eines Tages verschwinden. Also, warum sollte ich nicht hinausgehen und nachsehen?“
Es entstand eine lange Pause. Dann richtete sich Keine Ruhe kerzengerade auf. „Also gut, Schmutzige Zähne“, entschied sie. „Wenn du keine Angst hast, dann geh hinaus und schau nach dem Kobli. Wir alle wären dir sehr dankbar dafür.“
Anita stand hastig auf. „Ich werde mich überall umsehen. Aber wenn ich nach zwanzig Minuten oder so noch nicht zurück sein sollte, dann könnt ihr alle losschreien, um die Männer herbeizuholen, wie ihr es vorhattet.“
Sie eilte zur Tür und ging rasch aus dem Raum.
Bill, der nun seinen Blick vom Vorhangspalt löste und auf die Tür richtete, erschien sie wie ein schmaler schwarzer Schatten, der durch die plötzlich erhellte Öffnung schlüpfte, die sofort wieder dunkel wurde, als sie eilig die Tür wieder hinter sich schloß. Gleich darauf war zu hören, wie drinnen ein Riegel vorgelegt wurde.
Bill ging auf die schmale Gestalt zu, die jetzt auf dem Rasen vor dem Gebäude stand, trat geräuschlos hinter sie und klopfte leicht mit einem Finger auf ihre Schulter.
Sie zuckte zusammen und drehte sich so heftig um, daß er einen Schritt zurückwich.
„W-wer ist da?“ flüsterte sie. „Sind Sie es, Mr. Waltham?“
„Nennen Sie mich Bill!“ flüsterte Bill wütend zurück. „Kommen Sie, lassen sie uns irgendwohin gehen, wo wir reden können.“
Wortlos drehte sie sich um und führte ihn an der Hauswand entlang und durch mehrere Schattenstreifen zu einem langen, schmalen, fast fensterlosen Gebäude, das ganz im Dunkeln lag.
„Das ist ein Lagerhaus“, sagte Anita leise und wandte sich ihm zu, als sie stehenblieben. „Hier wird uns niemand hören. Was in aller Welt tun Sie hier im Tal? Ist Ihnen nichts besseres eingefallen, als hierher zurückzukommen – und dann noch mitten in der Nacht?“
„Lassen wir das!“ fuhr Bill sie an. Er wußte selbst nicht, warum es ihn so wütend machte, daß sie schon wieder diesen autoritären Ton anschlug, nachdem er gerade seinen Hals riskiert hatte, um sie zu finden. „Ich bin hier, um mir ein paar ehrliche Antworten abzuholen, die Sie mir geben werden!“
„Antworten?“ fragte sie
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