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Der Albtraum meiner Kindheit und Jugend - Zwangseinweisung in deutsche Erziehungsheime

Der Albtraum meiner Kindheit und Jugend - Zwangseinweisung in deutsche Erziehungsheime

Titel: Der Albtraum meiner Kindheit und Jugend - Zwangseinweisung in deutsche Erziehungsheime
Autoren: Regina Page
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befummeln und verletzte mich dabei. Es tat sehr weh, aber mit letzter Kraft konnte ich ihm entfliehen.
    Ich erzählte es sofort unserer Mutter. Sie ging sofort mit mir zur Polizei. Anschließend waren wir bei einem Arzt der mich untersuchte. Ich lag auf einer großen Liege und habe als kleines Mädchen nicht gewusst, warum ich jetzt bei einem Doktor war.
    Nach diesem schrecklichen Erlebnis ging unser Leben so weiter, ich kann mich nur ganz schwach daran erinnern, dass der Mann sein Vergehen geleugnet hatte. Zu jener Zeit verfolgte die Polizei den Tatvorgang nicht weiter. Vielleicht weil wir Flüchtlinge waren und die Verantwortlichen uns nicht ernstnahmen.
    Es waren drei Jahre nach unserer Vertreibung aus Elbing vergangen. Die Kälte machte uns im Winter immer wieder zu schaffen, weil es keine Kohlen und kein Brennholz gab. Wir hatten auch selten warme Kleidung. Wenn wir Glück hatten, bekamen wir etwas auf dem Wühltisch der Caritas oder vom Roten Kreuz, alles andere gab es auf Zuteilungsmarken, die sehr schnell aufgebraucht waren. Lebensmittel waren sehr knapp und Geld für den Schwarzmarkt hatten wir selbstverständlich nicht.
    Unsere Mutter brachte uns ab und zu in den Kindergarten zum Eierhäuschen in den Plänterwald. Da gab es etwas zu essen, der Weg dahin war aber weit und jeden Tag konnten wir diese Strapazen nicht mitmachen.
    Wir bekamen endlich eine andere Wohnung – ein großes und ein kleines Zimmer – zugeteilt vom Magistrat von Berlin. Die Wohnung bewohnte ein Frl. Pick und für eine alleinstehende Frau, war sie für die damaligen Verhältnisse zu groß. Es war wieder nur mit Bad- und Küchenbenutzung. Als Flüchtlinge waren wir nirgendwo willkommen, auch bei Frl. Pick nicht. Und das hat sie uns täglich gezeigt. Unsere Mutter richtete die Räume gemütlich ein, so wie es mit unseren wenigen Habseligkeiten ging. An Sonntagen wurde im kleinen Zimmer der Tisch gedeckt, mit der einzigen weißen Tischdecke die wir noch besaßen. Dazu das Silberbesteck aus unserem Haushalt in Ostpreußen, ein paar Teile die wir damals bei der Flucht 1945 noch mitnehmen konnten. Unsere Mutter lebte dabei richtig auf. So war sie es von zu Hause gewöhnt und dabei haben wir auch die guten Tischsitten gelernt. Alles war sehr schön eingedeckt, doch es war sehr wenig, was wir auf unseren Tellern hatten!
    Aus unserer Vermieterin Frl. Pick wurde nach kurzer Zeit Frau Werner, was die Folge hatte, dass wir das kleine Zimmer wieder abgeben mussten. Sie brauchte das Zimmer wieder, und ohne Rücksicht auf uns, stellte sie uns vor vollendete Tatsachen.
    Nun waren wir drei wieder auf ein Zimmer angewiesen. Wie in jeder Wohnung, wurde auch von dieser Frau das Gas für den Kochherd nur zu ganz bestimmten Zeiten aufgedreht. Den Vierkantschlüssel für den Gasanschluss nahm sie mit. Keine Möglichkeit für warme Getränke oder Speisen außerhalb der von ihr „genehmigten Zeit“.
    In den folgenden Jahren verbrachten wir trotzdem, eine schöne Zeit, wir wohnten jetzt an einer Straße, in der wir spielen konnten. Es gab keine Autos, die uns störten. Die ersten Rollschuhe – die wir mit einem dicken Gummiband an unseren Schuhen festmachten, waren unser ganzes Glück. Tante Lena schenkte uns die Rollschuhe die sie irgendwo ergattert hatte. Unsere Tante war bekannt dafür, dass sie überall „ihre Finger im Spiel“ hatte, und so besorgte sie uns immer mal etwas Außergewöhnliches zum Spielen.

    Tante Lenas späterer Kiosk

    Auch Spielsachen, an die zur damaligen Zeit kaum jemand herankommen konnte, unsere Tante schaffte es. Weil uns das Rollschuhfahren einen großen Spaß machte, sahen unsere Beine nach kurzer Zeit schlimm aus, wir hatten überall blaue Flecken und viele Schürfwunden. Doch die Verletzungen haben uns nichts ausgemacht. Wir lernten das Fahren mit den Rollschuhen schnell, schon flitzten wir fast perfekt in den Straßen umher. Wir waren ja in „unserer Straße“, der Gondeckerstraße, gut aufgehoben, und fühlten uns dort sehr wohl und sicher, es war eine echte Spielstraße für Kinder!

    Hinterhof-Gärten

    Es gab in dieser Zeit noch die Bierkutscher in Berlin. Beladen mit Bierfässern aus Holz und großen Eisstücken auf einem Pferdewagen. Sobald solch ein Wagen in unserer Straße vorbeifuhr, liefen alle Kinder hinterher, um bloß von diesem Wassereis etwas zu erwischen. Das war ein Riesenspektakel und meine Schwester Elke und ich waren immer dabei.
    Die Pferdeäppel, die auf der Straße landeten, blieben nicht lange
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