Der Algebraist
einverstanden,
dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass sich eine Spur von
Kritik dahinter verbirgt.« Er schüttelte den Kopf, schloss
das alte Buch und warf einen Blick auf den Einband mit dem Namen des
Autors. »Nie gehört«, murmelte er.
Zumindest hatte dieser moralinsaure Intellektuelle einen Namen,
dachte Lusiferus. Inzwischen störte es ihn sehr, für den
Attentäter keinen zu haben. Gewiss, der Bursche war gescheitert,
er hatte für sein Verbrechen teuer bezahlt, und jetzt war er tot
und nur noch eine Trophäe. Aber irgendwie empfand der
Archimandrit den Umstand, dass der Name nie bekannt geworden war, wie
einen Triumph für den Attentäter, so als wäre sein
Sieg über den Schurken nicht vollkommen, solange ihm diese
kleine Information vorenthalten wurde. Er hatte Leseum bereits
angewiesen, die Angelegenheit noch gründlicher zu
untersuchen.
Sein Privatsekretär erschien hinter der verspiegelten
Diamantfolie, die das Arbeitszimmer vom Schlafgemach trennte.
»Ja?«
»Der Marschall Lascert.«
»In zwei Minuten.«
»Jawohl.«
Lusiferus empfing den Beyonder-Marschall im Audienzraum der
Hauptkampfeinheit Lusiferus VII, dem Flaggschiff seiner
Flotte. (Lusiferus hielt Bezeichnungen wie
›Schlachtschiff‹, ›Flottentransporter‹ und so
weiter für altmodisch und allzu alltäglich.) Er hatte das
Schiff umbauen lassen, um eine standesgemäße Unterkunft zu
bekommen, aber irgendwann hatten die Marinearchitekten
tatsächlich zu weinen angefangen, weil
›Hohlräume‹, wie sie es nannten, die eine bestimmte
Größe überschritten, das Schiff zu sehr
schwächten. In Folge dessen war der Audienzraum längst
nicht so weitläufig und einschüchternd geworden, wie er es
sich gewünscht hätte. Er hatte einige Spiegel und mehrere
Holoprojektoren einbauen lassen, um ihn größer erscheinen
zu lassen, aber er wurde das Gefühl nicht los, dass die Besucher
diese Illusion durchschauten. Vom Stil her hatte er sich für den
Neobrutalismus entschieden: viel frei liegender Ersatzbeton und
rostige Rohre. Gefallen hatte ihm vor allem der Name, vom
Erscheinungsbild war er schnell wieder abgekommen.
Er betrat den Raum gleich hinter seinem Privatsekretär.
Gardisten, Höflinge, Verwaltungsbeamte und Offiziere von Heer
und Marine verneigten sich, als er vorüberschritt.
»Marschall.«
»Archimandrit.«
Der Beyonder-Marschall war eine Frau. Sie trug einen leichten
Harnisch, der zwar blitzblank poliert war, aber dennoch so abgewetzt
aussah, als würde er täglich getragen. Sie war groß
und schlank und von stolzer Haltung, aber etwas zu flachbrüstig
für Lusiferus’ Geschmack. Er fand kahlköpfige Frauen
ohnehin abstoßend. Sie nickte ihm höflich zu und zollte
seiner Stellung damit so wenig Respekt, wie es in den letzten
Jahrzehnten nur Leute gewagt hatten, die ihn abgrundtief hassten oder
ohnehin dem Tod geweiht waren. Er wusste nicht, ob er die Geste
erfrischend finden oder als Beleidigung werten sollte. Hinter ihr
standen zwei höhere Offiziere in blitzenden Plattenpanzern,
Jajuejein in der Standardkonfiguration, in der sie aussahen wie
Steppenläufer und dem Marschall höchstens bis an die Taille
reichten. Er hatte den Verdacht, dass man die Frau geschickt hatte,
weil sie wie er ein Mensch war; das Oberkommando der Beyonder bestand
nämlich fast ausschließlich aus Nichtmenschen.
Er nahm Platz. Seine Sitzgelegenheit war nicht unbedingt ein
Thron, aber doch ein imposanter Sessel auf einem Podest. Der
Beyonder-Marschall musste stehen.
»Sie wollten eine Unterredung, Marschall Lascert.«
»Ich spreche im Namen des Übertritts, der Wahrhaft
Freien und der BiAllianz. Wir wollen uns schon seit längerem mit
Ihnen unterhalten«, begann der Marschall sanft. Eine tiefe
Stimme für eine Frau. »Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu
diesem Treffen bereit erklärt haben.«
»Es ist mir ein Vergnügen. Nun denn. Wie steht es an
Ihrem Ende unseres kleinen Krieges? Natürlich nach Ihren letzten
Informationen.«
»Soweit wir wissen, läuft alles gut.« Wieder
lächelte der Marschall. Die Lichter spiegelten sich auf ihrem
kahlen Schädel. »Sie selbst eilen, wie man hört, von
Sieg zu Sieg.«
Er winkte ab. »Der Widerstand ist eher schwach«, sagte
er.
»Wann wollte Ihre Hauptflotte am Rand des Ulubis-Systems
eintreffen? In einem weiteren Jahr?«
»In etwa.«
»Das ist um einiges später, als wir geplant
hatten.«
»Die Invasionsflotte ist groß. Es hat eine Weile
gedauert, sie zusammenzustellen.« Lusiferus versuchte,
Weitere Kostenlose Bücher