Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
Abstimmung vorzuschlagen, weil Sam grundsätzlich ihre Partei ergriff.
Also stimmten sie ab, und Dash verlor, woraufhin Sam Alberts Archiv durch den Algorithmus jagte. Als das Programm nicht funktionierte, forschte er nach. Normalerweise las Sam die E-Mails oder Textnachrichten der Verstorbenen natürlich nicht persönlich – das tat sein Algorithmus für ihn. Er respektierte die Privatsphäre seiner Kunden und interessierte sich, wenn er ehrlich war, auch nicht für ihre Geheimnisse, Lügen, Hoff nungen und Träume. Unter normalen Umständen bekam er diese gar nicht erst zu sehen, aber Albert machte eine genauere Fehleranalyse erforderlich. Dabei kam heraus, dass er keine Facebook-Seite besessen hatte, was Sam nicht weiter verwunderte. Er hatte auch kein Blog geführt, nicht per Video-Chat kommuniziert, keine Videos auf YouTube eingestellt und keine Online-Zeitungen oder Webseiten gelesen. Fotos hatte er ebenfalls nicht online gestellt, weil er keine Digitalkamera besessen hatte, genauso wenig wie ein Handy, weshalb es auch keine Textnachrichten von ihm gab. Was Albert sehr wohl gehabt hatte, war eine glühende, verzehrende, lang anhaltende und recht gut dokumentierte Affäre.
Alberts Posteingang enthielt ein paar Start-E-Mails von dem Anbieter seines heimlichen Accounts, ein paar Bestätigungs-E-Mails für Online-Käufe und den üblichen Spam. Davon abgesehen kommunizierte er über dieses E-Mail-Konto ausschließlich und bisweilen erschreckend plakativ mit einer gewissen Agnes Grayson. Sam war wie vor den Kopf geschlagen. Er versuchte sich einzureden, dass es der Betrug an einer Frau war, die für ihn allmählich zum Familienmitglied wurde, der ihn so entsetzte, aber in Wahrheit war es die Tatsache, dass man jemanden so gut kennen und so sehr lieben und sich dennoch derart in ihm täuschen konnte. Außerdem handelte es sich hier um Senioren, und Sams Ansicht nach sollten Senioren Dinge, wie Albert sie in seinen E-Mails beschrieb, nicht mehr tun. Schon gar nicht in derart akrobatischen Positionen.
Am Abend kamen Meredith und Dash von ihrem harten Arbeitstag im Salon nach Hause.
»Drei Neuanmeldungen heute«, berichtete Meredith.
»Und David hat wieder einen neuen Song für seine Mutter geschrieben «, fügte Dash hinzu. »Ich überlege, ob ich ihn nicht mal meinem Freund Bradley vorstelle, der für ein Filmstudio in L. A. komponiert. David ist wirklich gut.«
»Oh, und Maggie hat zugegeben, dass Mr. Benson ein guter Vater ist. Sie ist zwar immer noch sauer über den Hausarrest, sagt aber, dass sie seine Gründe einsieht. Er war ganz hin und weg vor Freude. Es läuft also alles prima.«
»Freut mich .« Sam sah aus, als hätte ihm jemand Hausarrest verordnet.
»Was ist los?«
»Ich habe Albert durch den Algorithmus gejagt …«
» Und? Nicht genug Material?«
»Er hat schon genug E-Mail-Material, aber …«
»E-Mails müssten eigentlich reichen, habe ich mir überlegt«, unterbrac h ihn Meredith. »Dash hat recht: Ein Video-Chat mit ihrem toten Mann ist bestimmt komisch für Penny, nicht dass sie uns noch einen Herzinfarkt bekommt.«
»E-Mails scheiden aber leider aus.«
»Warum?«
»Weil seine E-Mails nur um eine einzige Sache kreisen.«
»Echt? Und welche ?«
»Abgelegene Restaurants, die niemand kennt. Motels, die einerseits so billig sind, dass man sie sich regelmäßig leisten kann, und andererseits sauber genug, um das Bett ausgiebig zu benutzen. Hin und wieder eine Frühstückspension auf der Olympic Peninsula. Einmal sogar ein Campingplatz.«
»Hör auf!«, riefen Meredith und Dash einstimmig. Während Dash ungläubig und fast ein wenig beeindruckt wirkte, wurde Meredith so bleich, als wäre sie die Betrogene.
» Kurz und gut: Er hatte eine Affäre«, erklärte Sam.
»Mit wem?«, wollte Meredith wissen.
»Bitte mach, dass es ein Mann ist, bitte, bitte«, flehte Dash.
»Ich fürchte, nein«, antwortete Sam.
»Was wäre denn an einem Mann weniger schlimm ?«, fragte Meredith.
»Offensichtlich ist es eine alte Highschool-Flamme. Weiblich. Zuerst haben sie ganz unverfänglich wieder Kontakt zueinander aufgenommen, dann haben sie angefangen zu flirten und irgendwann haben sie sich zum Mittagessen getroffen, um sich gegenseitig zu erzählen, wie es ihnen in der Zwischenzeit ergangen ist.«
»Oh, Gott«, stöhnte Meredith.
»Und dann folgen jede Menge E-Mails nach dem Motto: Welches Hotel und um wie viel Uhr?«
»Männer sind solche Schweine«, stellte Dash grinsend fest. »Ich muss es
Weitere Kostenlose Bücher