Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
wissen, ich bin selbst einer.«
»Und dann kommt ganz viel ›Ich werde dich da und da berühren und dich so und so verbiegen und dir das und das ins Ohr flüstern und dafür sorgen, dass du das und das schreist, und dann probieren wir es mal andersrum und von hinten, und zwar zweimal hintereinander‹.«
»Gott im Himmel«, flüsterten Dash und Meredith genau gleichzeitig. Erstaunlich, was die gemeinsamen Gene so alles bewirkten.
»Halb so schlimm«, beschwichtigte Sam. »Wir haben ihr ja noch gar nichts von RePrise erzählt. Wahrscheinlich hätte sie sowieso nichts damit anfangen können. Sie wird also einfach weiterhin auf althergebrachte Weise mit ihrer Trauer zurechtkommen müssen.«
»Es ist wohl schlimm! «, widersprach Meredith wütend.
»Wieso ?«
»Weil ihr ganzes Leben eine Lüge war. Weil der Mann, den sie geliebt hat, ihre Liebe nicht erwidert hat. Weil wir sie völlig verkommen in ihrer Wohnung vorgefunden haben, wo sie um einen Mann getrauert hat, der diese Trauer nicht verdient.«
»Das weißt du doch gar nicht «, gab Dash zu bedenken.
»Klar weiß ich das. Sam hat die E-Mails gelesen«, erwiderte Meredith.
»Nein, das meinte ich nicht. Natürlich hatte er eine Affäre, aber du kennst die Hintergründe nicht. Vielleicht hat er beide Frauen geliebt. Oder vielleicht hat er diese Agnes überhaupt nicht geliebt, sondern nur etwas gebraucht, was er von Penny nicht gekriegt hat. Es könnte doch sogar sein, dass Penny es gewusst und gutgeheißen hat. Oma würde jetzt sagen: ›Man weiß nie, was in anderer Leute Häusern vor sich geht.‹ Also spiel dich nicht so auf.«
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass Penny es gewusst hat und nichts dagegen hatte! Diese liebe alte Dame? Ist das alles, was du als Verteidigung vorzubringen hast?«
»Ich muss überhaupt keine Verteidigung vorbringen. Und Albert auch nicht.«
»E r hat der Frau, die er angeblich geliebt hat, etwas unermesslich Schreckliches angetan.«
»Ich glaube, dass er ihr im Gegenteil einen riesigen Gefallen getan hat.«
»Bist du verrückt?«
»Offensichtlich hat er sein Geheimnis mit ins Grab genommen. Er hat dafür gesorgt, dass sie nie davon erfahren hat, indem er einen separaten E-Mail-Account eingerichtet und ihn nur benutzt hat, wenn Penny nicht in der N ähe war. Und seine Geliebte hat er auch nur an Orten getroffen, wo niemand sie erkennen würde.«
»Aber nicht, um sie zu schonen, sondern damit er nicht auffliegt! Wenn sie einverstanden gewesen wäre, wäre die ganze Heimlichtuerei nämlich nicht nötig gewesen.«
»Ich behaupte ja nicht, dass es eine Heldentat von ihm war«, beschwichtigte Dash. »Ich gebe nur zu bedenken, dass wir die zugrunde liegende Geschichte nicht kennen. Wenn sie das Gefühl hatte, von ihm geliebt zu werden, dann war es auch so.«
»Das stimmt nicht.«
»Doch, das stimmt«, ergriff Sam zum ersten Mal in diesem Monat Partei für Dash. »Das ist doch überhaupt erst die Voraussetzung für das, was wir tun, der Nährboden für RePrise. Nur deshalb funktioniert es. Wenn die Kunden sich von ihren Projektionen geliebt fühlen, bedeutet das für sie, dass sie wirklich geliebt werden. Punkt.«
»Fürs echte Leben gilt das aber genauso«, insistierte Dash.
»Wi r müssen es ihr sagen«, verkündete Meredith. »Vielleicht kommt sie leichter über seinen Tod hinweg, wenn ihr klar wird, dass er nicht der Mann war, für den sie ihn gehalten hat.«
»Nein, Merde, bloß nicht. Sag es ihr nicht. S ie will es nicht wissen, glaub mir. Dash hat recht: Wir wissen doch gar nicht, was wirklich passiert ist. Wir haben nur die E-Mails als Anhaltspunkt.«
»Eben. Und E-Mails lügen nicht. Sie enthalten vielleicht Lügen, aber sie lügen nicht. Mit ihrer Hilfe können wir einen ganzen Menschen rekonstruieren. Alles, was wir bei RePrise tun, basiert darauf, dass E-Mails als Anhaltspunkt vollkommen gen ügen«, argumentierte Meredith u nd fügte dann hinzu: »Er hat sie angelogen. Und wir wissen es.«
»Umso wichtiger, dass wir es für uns behalten«, sagte Dash.
Während Dash die Wohnung verließ, um neues Labpulver für seinen Ziegenkäse zu kaufen, bereitete Sam in der Küche das Abendessen vor. Meredith fing unterdessen an, eine SPAD -Maschine aus dem Ersten Weltkrieg zusammenzubauen (soweit Sam erkennen konnte, handelte es sich um einen Doppeldecker). Zwischendurch kam sie immer wieder in die Küche, fuhrwerkte dort herum und knallte Schranktüren zu. Dann rief sie ihre Großmutter an.
»Hallo, mein Schatz«,
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