Der Altman-Code
verkniff sich eine Entgegnung. »Ich nehme an, er sucht das zweite Exemplar des Ladeverzeichnisses.
Ich weiß, welche Tarnung er benutzt und wo er wohnt.
Wie lange brauchen Sie, um nach Hongkong zu kommen und ihn zu töten?«
Samstag, 16. September - Hongkong
Es war eine Stunde vor Sonnenuntergang, als der schlanke Chinese den Hauptschlüssel aus der Schürzentasche der Nacht-Hausmeisterin nahm und ihren leblosen Körper in die Bettzeugkammer des Hotels zog. Das schlaffe, weiche Fleisch hatte in seiner Trägheit etwas Abstoßendes, wie ein Sack Reis, dessen Inhalt zur Hälfte ausgelaufen war. Er machte die Tür zu und schloss sie ab.
Cho war Anfang zwanzig, sah aber wesentlich jünger aus. Sein Herz klopfte. Obwohl er erfahren war, ein Profi, ließ die Angst nie nach, aber sein jugendliches Äußeres ermöglichte ihm, an Orte zu kommen, zu denen sich ältere Männer keinen Zutritt verschaffen konnten. Das trug ihm viele gut bezahlte Aufträge ein, und er erledigte sie immer tadellos.
Cho rannte den Flur hinunter, bis er das Zimmer mit der entsprechenden Nummer fand. Er steckte den Schlüssel ins Schloss und drückte die Tür so weit auf, wie es die vorgelegte Kette zuließ. Dann lauschte er.
Als er nichts hörte und kein Licht angemacht wurde, zog er die Tür wieder ein Stück zu, schob ein dünnes, selbstgebautes Gerät durch den Spalt und löste damit geschickt die Kette. Nachdem er das Gerät in eine Spezialtasche seiner schwarzen Jeans zurückgesteckt hatte, schlich er in das dunkle Zimmer, schloss geräuschlos die Tür und huschte nach links.
Dort blieb er mit dem Rücken zur Wand eine Weile reglos stehen und wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Er konnte die warme Feuchtigkeit in der dunklen Luft fühlen – seine Beute war irgendwo im Zimmer, tief atmend, schlafend. Die gedämpften Geräusche des Nachtverkehrs tief unter ihm drangen durch die zugezogenen Vorhänge. Ansonsten war nichts zu hören, nichts rührte sich.
Der junge Killer schlich weiter. Auf dem dicken Teppich machten seine in weichen Slippern steckenden Füße kein Geräusch. Er fand das Bett. Der Mann lag rhythmisch atmend auf dem Rücken, nicht ahnend, dass sein Brustkorb in wenigen Sekunden aufhören würde, sich zu heben und zu senken.
Ein Problem gab es: Der Mann lag unter einem Laken und einer Decke. Cho zögerte. Sollte er durch die Decke zustechen, obwohl er sich der genauen Lage des Mannes nicht sicher war, oder sollte er die Decke über die nackte und verletzliche Brust herunterziehen? Dann sah er die Hand unter der Decke hervorragen. Es war die rechte. Sie hing über die Bettkante. Und sie war so schlaff wie die der Leiche der Hausmeisterin. Während er die Hand beobachtete, zuckte sie. Er folgte der Bewegung unter der Decke den Arm hinauf, über die Schultern und den Brustkorb hinab. Lächelnd zog er den Dolch aus dem Bund seiner amerikanischen Jeans, fasste ihn mit nach unten zeigender Spitze fester und hob ihn.
Jon Smith beobachtete, wie Charles-Marie Cruyff, ein fieses Grinsen auf den Lippen und einen scharfen Dolch zwischen den Zähnen, durch dichten Nebel auf ihn zukam.
Von hinten fuhr eine amerikanische Fregatte auf Cruyff zu, aber Smith konnte sehen, dass sie zu spät käme, um ihm zu helfen. Außer dem Piratendolch hatte der grinsende Cruyff auch ein rotes Tuch um den Kopf geschlungen und im Nacken verknotet. Er erreichte das Bett und … … Smith öffnete die Augen einen Spalt breit. Sonst bewegte er nichts, nur die Lider. Er hatte von Cruyff geträumt, aber die Gestalt an seinem Bett war nicht Cruyff.
Und das war kein Traum. Der schwache Lichtschein, der unter der Tür durchdrang, zeigte die Umrisse einer schlanken Gestalt, die nur noch einen halben Meter von ihm entfernt war. Eine Hand hob sich. Smith sah ein Aufblitzen reflektierten Lichts. Ein Dolch. Sah ihn plötzlich niedersausen.
Seine rechte Hand schoss hoch und packte das Handgelenk. Es war so dünn, dass er dachte, es könnte in seinem Griff brechen. Dann spürte er die Kraft darin. Wie ein erschrockenes wildes Tier wich der Schatten zurück.
Mit einer heftigen Zuckung versuchte sich der ganze an dem Handgelenk hängende Körper aus Smiths Zugriff zu befreien.
Smith packte fester zu und riss das Handgelenk zu sich heran, um den Dolch freizuschütteln.
Aber der Dolch fiel nicht. Die Hand ließ ihn nicht los.
Als Smith hochschnellte, fiel der zurückweichende Schatten, Smith mit sich reißend, hintenüber und landete von
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