Der Altman-Code
Nachrichten scheinen immer schlechter zu werden. Setz dich, Fred, und trink einen Kaffee mit mir.« Als Klein neben Castilla Platz nahm, schenkte dieser eine Tasse dampfend heißen Kaffee ein und reichte sie ihm. »Im Bethesda liegen sie mir schon die ganze Zeit in den Ohren, ich soll meinen Kaffeekonsum etwas einschränken. Sogar Cassie fängt jetzt schon damit an. Aber die haben ja auch gut reden. Sie haben schließlich nicht diesen Job.«
»Allerdings nicht.« Klein kaute auf dem Mundstück seiner kalten Pfeife herum. »Aber du hast gesagt, es ist etwas passiert.« Er nahm die Pfeife lang genug aus dem Mund, um zu trinken.
Castilla trank einen trotzigen Schluck. »Die Chinesen haben noch eins draufgelegt. Diesmal reagieren sie mit Gewalt, nicht mit Worten. Sie haben der Crowe eins ihrer U-Boote hinterhergeschickt.« Kleins Augenbrauen wanderten über den Rand seiner Nickelbrille hoch. »Aber angegriffen haben sie nicht?«
»Nein, ebenso wenig wie wir.« Klein nahm die Pfeife aus dem Mund und drehte sie in seinen Händen, ohne den Kaffee zu beachten. »Wo haben sie das U-Boot so plötzlich her? Von wo ist es gekommen? Doch sicher nicht von der Straße von Taiwan oder Hongkong oder der Insel Hainan. Das ist zu weit von der Crowe entfernt. Das U-Boot muss im Indischen Ozean stationiert gewesen sein, wahrscheinlich sogar im Arabischen Meer selbst.«
Der Präsident straffte die Schultern. Er schimpfte: »Du hast Recht. Sie beobachten die Fifth Fleet mit U-Booten!« Klein nickte. »Und jetzt haben sie eins losgeschickt, um uns zu verstehen zu geben, dass in Beijing jemand den Konflikt zuspitzen, die Drohung verschärfen will.«
»So sehe ich das auch. Ich würde sagen, hinter den Mauern von Zhongnanhai ist ein interner Machtkampf ausgebrochen.«
»Hört sich einleuchtend an. Aber steckt dahinter der ganze Ständige Ausschuss? Oder vielleicht sogar das Politbüro?«
»Wäre hilfreich, das zu wissen.«
»Nichts, was irgendein Covert-One-Agent oder Informant gemeldet hat, deutet darauf hin«, sagte Klein.
»Natürlich versuchen die Chinesen das Ganze, genau wie wir, mit allen Mitteln geheim zu halten. In der chinesischen Presse wurde die Empress mit keinem Wort erwähnt.«
»Rätst du demnach, zu sticheln, zu beobachten und abzuwarten? Unsere Drohung aufrecht zu halten und so zu tun, als gäbe es die ihre nicht?«
»Vorerst, ja. Später liegt dir entweder der Beweis vor – oder mein Rücktrittsgesuch.« Die Augen des Präsidenten wurden eisig. »Das reicht nicht aus, Fred. Welche Fortschritte haben deine Leute gemacht?«
»Bedaure, Sam. Anscheinend werde ich langsam alt.
Diese Geschichte überfordert mich. Zu viele Unwägbarkeiten.« Klein verschränkte die Arme. Der Pfeifenstiel stand aus seiner Faust hervor. »Erstens, wir sind sicher, dass der belgische Mitbesitzer der Empress weiß, dass das Schiff Schmuggelware geladen hat. Zweitens, und das ist wahrscheinlich noch wichtiger«, er machte eine Pause, um sicherzugehen, dass der Präsident merkte, wie bedeutsam dies war, »die belgische Firma gehört der Altman Group. Es sieht so aus, als hätte ihr Vorstandsvorsitzender Ralph McDermid maßgeblich seine Finger mit im Spiel.«
»Schon wieder Ralph McDermid?« Die Stimme des Präsidenten wurde höher. »McDermid ist nicht nur ihr Vorstandsvorsitzender und Direktor, er ist die Altman Group. Er hat sie gegründet und zu einem der größten Finanzimperien aufgebaut, das die Welt je gesehen hat, und das alles in weniger als zwei Jahrzehnten. Ich meine, er zählt einen meiner Vorgänger sowie mehrere Kabinettsmitglieder der vergangenen vier Regierungen zu seinen Mitarbeitern, außerdem ehemalige FBI-und CIA-Direktoren, Kongressabgeordnete, Senatoren und Ex—
Gouverneure.« Das alles war Klein nicht neu. Er hielt seine Ungeduld im Zaum, bis der Präsident fertig war. »Ja. Du hast vorhin ›schon wieder‹ gesagt? Ist McDermid noch in etwas anderes verwickelt?« Der Präsident nahm die Brille ab und kniff sich in den Nasensattel, als kämpfte er gegen Kopfschmerzen an. »Im Weißen Haus gibt es eine undichte Stelle.« Er erzählte Klein von Arlene Debos Hinweis auf das Geheimtreffen zwischen McDermid und Army-Staatssekretär Jasper Kott in Manila. »Glaubst du, zwischen diesen Lecks und der Empress -Krise könnte ein Zusammenhang bestehen?«
»Das sollten wir möglichst schnell herausfinden. Was ich nicht verstehe, ist, warum McDermid mit so etwas wie der Ladung der Empress zu tun haben könnte. Er verdient doch bereits
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