Der Altman-Code
müssen Sie mir schon etwas mehr erzählen. Ansonsten stehlen Sie mir nur meine Zeit!« Angriff, hatte er im Lauf der Jahre gelernt, war oft die beste Verteidigung.
»Die Empress ist Anfang September von Shanghai in Richtung Basra in See gestochen. In ihren Laderäumen befinden sich viele Tonnen Thiodiglykol für die Herstellung von Hautkampfstoffen sowie von Thionylchlorid für die Herstellung von Hautkampfstoffen und Nervengas.« Die ruhige Stimme der Frau bekam einen bedrohlichen Unterton. »Genügt Ihnen das, Mr. Ralph McDermid, Generaldirektor und Gründer der Altman Group?« McDermid bereitete das Sprechen Mühe. Er drückte auf den Aufzeichnungsknopf des Telefons, rief nach Lawrence und sagte vorsichtig in den Hörer: »Wen genau repräsentieren Sie und was wollen Sie?«
»Wir repräsentieren nur uns selbst. Möchten Sie unseren Preis und unsere Bedingungen hören?« Lawrence betrat das Büro. McDermid bedeutete ihm, die Herkunft des Anrufs festzustellen. Dann knurrte er unwirsch in den Hörer: »Wer zum Teufel sind Sie und weshalb sollte ich nicht auf der Stelle auflegen?«
»Ich bin Li Kuonyi, Mr. McDermid. Mein Mann ist Yu Yongfu. Wie Sie sich bestimmt erinnern, ist er Präsident und Vorstandsvorsitzender von Flying Dragon Enterprises. Er ist ein kluger Mann. So klug und vorausschauend, dass er sein Exemplar des Ladeverzeichnisses der Empress vor der Vernichtung bewahrt hat. Es befindet sich in unserem Besitz.« Im konspirativen Haus der CIA platzte Smith aufgeregt heraus: »Wahnsinn!« Aller Blicke wandten sich ihm zu.
Randi Russell fragte: »Jon? Weißt du, worüber die reden?«
»Später.« Er brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Still. Hör zu! « McDermids bestürztes Schweigen endete. Er hatte die Nase voll. »Ihr Mann hat das Dokument verbrannt und Selbstmord begangen. Ein tragisches Ende, wie es so schön heißt. Ich weiß nicht, was Sie wollen, aber …«
»Man hat Ihnen gesagt, mein Mann hätte auf Befehl meines Vaters und politisch wesentlich hochrangigerer Personen Selbstmord begangen, um seine Familie vor dem Ruin zu bewahren. Man hat Ihnen gesagt, er hätte das Verzeichnis verbrannt, hätte sich in den Kopf geschossen und wäre anschließend in den Fluss gestürzt.
Nichts davon stimmt. Er verbrannte ein wertloses Blatt Papier und feuerte seine Pistole ab, das ja. Er fiel in den Fluss, ja. Aber die Patronen in seiner Pistole waren nur Platzpatronen. Was Feng gesehen hat, war nur Theater.
Das weiß ich, weil ich es selbst inszeniert habe.«
»Ausgeschlossen!«
»Wurde die Leiche meines Mannes gefunden?«
»Im Jangtse-Delta werden viele Leichen nie gefunden.«
»Kennen Sie die Stimme meines Mannes, Mr. McDermid?«
»Nein.«
»Feng Dun kennt sie.«
»Er ist nicht hier.«
»Sie zeichnen dieses Gespräch doch sicher auf?« Eine Pause. »Ja.«
»Dann hören Sie zu.« Aus dem Hörer kam eine Männerstimme. »Ich bin Yu Yongfu, McDermid. Sagen Sie diesem Verräter Feng, dass ich ihm bei unserer letzten Unterhaltung eine Prämie anbot. Er erzählte mir vom Tod des amerikanischen Spions Mondragon auf der Insel Liuchiu und von einem zweiten Amerikaner, der entkommen konnte und später in Shanghai gesehen wurde. Sagen Sie ihm, dass meine Frau, zu seinem Leidwesen, meine Geschäftspartnerin ist und dass ich ihr deshalb keine Informationen vorenthalte. Nie. Sie war es, die mir geraten hat, das Dokument aufzubewahren, und sie war es auch, die meinen ›Selbstmord‹ inszeniert hat. Alle glauben, sie ist in jeder Hinsicht die intelligentere von uns beiden, aber das stimmt nicht. Auch ich bin nicht auf den Kopf gefallen – immerhin konnte ich sie dazu bringen, mich zu heiraten.« Dann war der Mann weg, und die Frau kam wieder ans Telefon. »Spielen Sie das Feng vor. Und jetzt sollten wir beide übers Geschäftliche reden.«
»Warum macht das nicht Ihr Mann, Madam?«
»Weil er weiß, dass ich, was das angeht, cleverer und durchsetzungsfähiger bin.« Darüber schien McDermid nachzudenken. »Oder er ist tot, und Sie haben eine Bandaufnahme abgespielt.«
»Das glauben Sie doch selbst nicht. Und wenn es so wäre, würde es etwas an der Sache ändern? Ich besitze das Ladeverzeichnis, und Sie wollen es haben.«
»Und was wollen Sie , Madam Li?«
»Geld für ein neues Leben im Ausland – für meine Kinder, meinen Mann und mich. Aber keineswegs irgendeine aberwitzige Summe, nichts, was Sie stärker schmerzen würde als ein Mückenstich. Ich bin da ganz realistisch. Zwei Millionen Dollar dürften
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