Der Altmann ist tot: Frl. Krise und Frau Freitag ermitteln
meisten, weil sie kaum mehr von Berlin als ihre eigene Straße kennen. Der Checkpoint Charlie zum Beispiel oder das Nationaldenkmal im Viktoriapark sind ihnen fremd. Dafür können sie sich aber blind in den verschiedenen Einkaufscentern orientieren. Ist ja auch was!
«Komm, wir setzen uns hier in den Schatten, Frl. Krise. Bloß nicht in die Sonne. Meine Haut!»
«Gerne. Deine Klasse ist süß! Jedenfalls gegen meine Großen! Die schreiben gerade Mathe. Apropos Mathe. Wird der Wernitzki jetzt eigentlich Fachbereichsleiter oder was?»
Wie geziert sich die Nolte hinsetzt. Weißer Faltenrock auf oller Bank, das ist natürlich nicht kompatibel.
«Ja, soweit ich weiß, will der sich bewerben. Die Stelle ist ja noch nicht ausgeschrieben. Aber ich glaube, er hat gute Chancen! Wer will denn schon an diese Schule!» Die Nolte zeigt auf den überquellenden Papierkorb neben uns. «Ach, Frl. Krise, früher, als noch unser alter Schulleiter Schmi…»
Bloß jetzt nicht die Nolte abschweifen lassen! Schnell dazwischengehen: «Da hat der Hannes ja auch lange genug drauf gewartet. Wieso hat eigentlich damals der Altmann die Stelle bekommen? Der Hannes war doch vor ihm da, oder?»
«Ja, der Hannes ist schon ewig bei uns. Der Günther kam ein paar Jährchen später. Damals war noch der Gruber Fachbereichsleiter. Das war ein verrückter Vogel.» Die Nolte rollt die Augen, lehnt sich zurück und taucht in die Vergangenheit ab.
«Als der Gruber pensioniert wurde, bewarben sich Altmann und Wernitzki auf die Fachleiterstelle. Altmann hat natürlich das Rennen gemacht. Und ließ auch auf privater Ebene keine Gelegenheit aus, seinen Kollegen zu demütigen.»
«Der arme Hannes! Da hat der bestimmt drunter gelitten …»
«Der hat sowieso immer unter dem Günther gelitten.»
«Wieso?»
«Na, früher war der Günther ja noch mehr hinter jedem Rockzipfel im Kollegium her. Seit seiner Hochzeit mit Franziska ist der dann deutlich ruhiger geworden. Früher … die Betty, seine erste Frau, hat sich oft bei mir ausgeweint. Die hat das ja alles mitbekommen, die war ja auch an unserer Schule. Der Hannes hat wohl nie besonders viel Glück bei Frauen gehabt. Aber probiert hat er’s immer wieder, bei den Referendarinnen und auch den jungen Kolleginnen. Ohne Erfolg, Günther ist ihm ständig in die Parade gefahren. Erinnerst du dich an die Judith Maier? Diese hübsche Referendarin?»
«Natürlich!»
«Die hat der Günther doch auch …»
«Flachgelegt?»
«Frl. Krise! Umschwärmt, wollte ich sagen. Und ich glaube, der Hannes war auch hinter der her. Die Judith hat mal so eine Bemerkung gemacht, bevor sie ging. Der Günther war schon ein richtiger Womenizer. Der hatte Erfolg bei den Frauen!»
Die Nolte seufzt tief.
«Und der Hannes? Der war auf ganzer Linie erfolglos?»
«Ich glaube schon. Was dem auch immer so zugesetzt hat, war, dass der Günther ihn so gerne vorgeführt hat. Wenn der Hannes morgens ins Lehrerzimmer kam, hat er gerufen: Guten Morgen, Herr Kollege! Na, schönes Wochenende gehabt, du alter Ladykiller!»
«Gemein.»
«Ja!» Frau Nolte nickt. «Der Günther konnte ziemlich ekelhaft sein. Nicht nur zu den Schülern. Die Betty … die hat mir auf der Beerdigung erzählt, dass der bis zuletzt versucht hat, ihr den Bernd madig zu machen. Dabei ist das so ein herzensguter Mann, der Bernd. Aber Günther konnte anscheinend den Gedanken nicht ertragen, dass Betty mit einem anderen glücklich ist. Das hat den Bernd ganz schön genervt. Die waren ja mal dicke Freunde ganz früher. Aber der Günther mit seinem ewigen Besitzanspruch auf die Betty hat alles …»
«Frau Nolte! Frau Nolte! Wir sind Erster, wa?» Vier kleine Mädchen aus Frau Noltes Klasse stürmen auf uns zu.
Wie schnell waren die denn! Schade, wenn jetzt alle kommen, ist es vorbei mit Frau Noltes Plauderstunde.
«Kinder, Kinder, seid ihr abgehetzt!»
«Ja, wir wollten Erster werden. Jenny, gib mal unser Zettel!»
Die Arbeitsblätter sind in einem erbarmungswürdigen Zustand, zerknittert oder zusammengerollt.
«Geht mal ein bisschen spielen, bis die anderen kommen!», sagt die Nolte ungnädig und versucht die Papiere an der Banklehne zu glätten.
«Nein! Frl. Krise! Was die hier geschrieben haben!» Die Nolte guckt fassungslos.
«Lies mal vor!»
«Also, die Frage lautete: Was für ein Denkmal steht auf dem Platz der Luftbrücke, und wie wird das im Berliner Volksmund genannt? Und jetzt die Antwort: ‹Das heißt Luftfahrtdenkmal. Der Berliner Volksmann
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