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Der Amboss der Sterne

Der Amboss der Sterne

Titel: Der Amboss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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über ihn kommen lassen möge, bis sein Herz langsamer zu werden schien, ihm die Augen zufielen und er in eine behagliche Decke von Verzweiflung gehüllt war, so viel greifbarer als Erinnerung oder Verantwortung oder die alltägliche Traurigkeit des Lebens an Bord.
    Nichts kam dazwischen.
    Nichts und niemand kümmerte sich um ihn.
    Das war in gewisser Weise beruhigend. Es könnte ein Ende der Komplexität des Universums sein, ein Ende des Zwistes und der Verwirrung der Intelligenz.
     
    Mitten in den Sportveranstaltungen und Wettkämpfen, mitten in Martins Verzweiflung, verschwand Rosa Sequoia.
    Kimberly Quartz und Jeanette Snap Dragon fanden sie fünf Tage später nackt und halb tot vor Durst. Sie brachten sie ins Schulzimmer. Ariel kniete sich auf den Boden, packte ihr Haar, zog ihr den Kopf zurück und zwang sie, Wasser zu trinken. Ihre Augen wanderten im Raum umher, um sich auf Punkte zwischen den Anwesenden zu heften. Ariel fragte: »Was, zum Teufel, machst du?«
    Rosa lächelte sie von unten her an. Wasser troff ihr vom Mund, und träge bluteten Tropfen aus aufgesprungenen Lippen. Ihr Gesicht war mit angetrocknetem Blut beschmiert. Sie hatte sich in die Unterlippe gebissen. Sie sagte: »Es ist gekommen und hat mich berührt. Ich war gefährlich. Ich hätte jemanden verletzen können.«
    Hans kam wütend ins Schulzimmer gestürmt und wischte Ariel beiseite. »Steh auf, verdammt noch mal!« Rosa stand wackelig auf. Sie roch sauer und hatte angetrocknete Bluttropfen auf den Brüsten.
    »Bist du wahnsinnig?« fragte Hans.
    Sie schüttelte den Kopf. Durch ihr Lächeln rissen die Bißwunden auf und bluteten stärker.
    Hans packte Rosas Arm und schaute sich hilfesuchend im Raum um. Ariel trat vor, und Hans legte den keinen Widerstand leistenden Arm in ihre Hände. »Füttere und säubere sie! Sie hat Stubenarrest. Jeanette, bewach ihre Tür und sorge dafür, daß sie nicht herauskommt!«
    »Ich könnte euch Geschichten erzählen«, sagte Rosa bescheiden. »Deshalb bin ich zurückgekommen.«
    »Du wirst mit niemandem sprechen«, sagte Hans, drängte sich an allen vorbei und verabschiedete sich von der Szene durch eine nach hinten gerichtete Handbewegung.
    Martin folgte ihm aus dem Schulraum. Seine trübe Stimmung wich Ärger. Er sagte zu Hans: »Sie ist krank. Sie ist nicht verantwortlich.«
    »Ich bin auch krank«, sagte Hans. »Wir sind alle krank. Aber sie ist abscheulich verrückt. Was ist mit dir?« Er wandte sich jäh an Martin. »Mein Gott, du bläst Trübsal wie eine verdammte Schnecke. Harpal ist nicht besser. Was, zum Teufel, geht eigentlich vor?«
    »Wir sind in ein Loch gefallen«, sagte Martin.
    »Dann laß uns um Gottes willen herausklettern!«
    »Es gibt keinen Gott. Das hoffe ich. Niemand hört uns.«
    Hans warf ihm einen vernichtenden Blick zu und sagte scharf: »Rosa wäre da anderer Meinung. Ich wette, daß sie jetzt Gottes Empfehlungskarte in ihrem Overall hat. Wo auch immer der ist.« Hans schüttelte heftig den Kopf. »Von allen Frauen in diesem Schiff mußte ausgerechnet sie ihre Kleider abwerfen, als sie einen Anfall kommen fühlte.« Er blieb nach ein paar Metern im Korridor mit zusammengezogenen Schultern stehen, als ob Martin ihn mit etwas bewerfen wollte.
    Martin hatte sich nicht bewegt, gehüllt in eine wunderbar dicke und schützende Melancholie und mit dem Gefühl, über die starre Wut auf Hans ein klein wenig hinaus zu sein.
    Hans drehte sich mürrisch um und fragte: »Du sagst, wir sind in einem Loch. Wir verlieren doch, nicht wahr? Verdammt, ich will das nicht!« Er winkte Martin zu und ging.
    Martin erschauerte wie vor Kälte. Er kehrte ins Schulzimmer zurück. Rosa plauderte munter mit den fünf, die geblieben waren. Ariel hatte ihr einen Overall gebracht, der nicht paßte. Sie sah lächerlich aus, aber das kümmerte sie nicht.
    Sie sagte: »Es tut mir leid. Ich entschuldige mich für meinen Zustand. Ich konnte nicht einmal denken. Ich war an einen großen Generator angeschlossen. Ich war nicht menschlich. Mein Körper spielte keine Rolle.« Sie sah Martin an, die großen kräftigen Arme ausgestreckt, als ob sie versuchen würde zu fliegen. »Ich habe mich zuvor so häßlich gefühlt«, flüsterte sie und senkte das Kinn auf die Brust. »Jeanette, bitte, bring mich in mein Zimmer. Hans hat recht. Laß mich einige Zeit nicht hinaus und laß niemanden außer dir – oder Ariel – herein, um mich zu besuchen!« Sie hob die Hand, deutete auf die drei, einschließlich Martin und sagte:

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