Der Amerikaner - The American
Sirenen. Der Raum war nur spärlich möbliert, unter anderem mit einem Schreibtisch, der von Kugeln durchsiebt war und auf dem die Überreste eines Laptops lagen.
Fatima Darabi lehnte sitzend an einer Wand. Sie war schwer verletzt, aber ihr Gehirn funktionierte noch. Für sie gab es nichts mehr als Schmerz. Als sie keine Luft mehr bekam, wurde ihr klar, dass ihr nur noch wenige Sekunden blieben. Obwohl ihr Blick schon getrübt war, sah sie eine wie benommen wirkende Frau in das Zimmer kommen.
Ihre braunen Augen glitten noch einmal zu der ein gutes Stück neben ihr liegenden Pistole, die ihr einer der Agenten aus der Hand getreten hatte, bevor er ihre Brust mit einem halben Dutzend Kugeln durchsiebte. Die Waffe war weit weg, aber sie würde es versuchen. Sie lag im Sterben, doch ihr Hass war noch genau so stark wie zuvor.
Als Kharmai gerade die Schubladen des Schreibtischs durchwühlte, nahm sie hinter sich eine Bewegung wahr. Sie wirbelte herum und sah die an der Wand lehnende Frau. Zuerst glaubte sie, sich das Geräusch eingebildet zu haben, doch dann bewegten sich die Augen der Frau. Ungläubig sah sie, wie die Schwerverletzte die Makarow-Pistole zu erreichen versuchte. Wahrscheinlich hatten die Agenten, die ihren Kameraden zu Hilfe eilen wollten, sie für tot gehalten. Aber sie war nicht tot, zumindest noch nicht, und schaffte es tatsächlich, die Pistole in die Finger zu bekommen und sie auf Kharmai zu richten. Die griff hastig nach ihrer eigenen Waffe.
Aber sie war zu langsam. Die sterbende Terroristin zielte und drückte ab.
Der ramponierte Münzfernsprecher befand sich am hinteren Ende eines mit Zigarettenkippen und Abfall übersäten Parkplatzes und war durch eine Reihe von Autowracks von der Ladenfront abgeschirmt.
Das ehemals eigens durch eine Kette gesicherte Telefonbuch war längst abgerissen, aber Vanderveen benötigte es nicht, da die Nummer in seinem Gedächtnis abgespeichert war. Nach dem Telefonat hatte er in Washington vorerst nichts mehr zu tun. Für diesen Anruf wollte er weder sein Handy noch das Telefon in seinem Haus in Virginia benutzen, obwohl das Risiko nicht besonders groß gewesen wäre. Er griff nach dem Hörer und wählte.
»U. S. Army Rangers Association, guten Tag«, meldete sich am anderen Ende eine weibliche Stimme. »Mein Name ist Pam. Was kann ich für Sie tun?«
»Hallo, Pam. Ich heiße Ryan Kealey, bin Mitglied des Verbands und Abonnent des ›Ranger Register‹, habe es aber zuletzt nicht bekommen. Da ich vor kurzem umgezogen bin, habe ich mich gefragt, ob Sie meine neue Adresse überhaupt schon abgespeichert haben.«
Mit diesem Vorgehen war nur ein geringes Risiko verbunden. Die Frau hätte ihn nach seiner Sozialversicherungsnummer, seiner früheren Adresse, seinem Geburtstag oder sonst etwas fragen können, und er hätte keine Antwort parat gehabt. In diesem Fall hätte er einfach eingehängt und sich etwas anderes einfallen lassen.
»Wie lautet denn Ihre neue Adresse, Mr Kealey?«
Er atmete erleichtert auf. »1662 Manor Drive, Springfield,
Illinois.« Dann nannte er ihr die Postleitzahl. »Ich war mir nicht sicher, ob ich sie Ihnen mitgeteilt hatte oder nicht … Haben Sie diese Adresse gespeichert?«
Er hörte, wie sie auf ihrer Tastatur tippte. »Nein, Sir, bei uns steht 1334 Village Creek Road, Cape Elizabeth, Maine. Ich werde die Veränderung umgehend eingeben.«
»Vielen Dank.«
»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
Als Vanderveen gerade antworten wollte, rasten auf dem Dwight D. Eisenhower Freeway etliche Krankenwagen vorüber, und wegen des Sirenengeheuls war die Frau am anderen Ende kaum zu verstehen. »Nein, danke. Sie waren sehr hilfsbereit.«
»Keine Ursache. Ich wünsche noch einen schönen Tag, Sir.«
Vanderveen hängte ein und ging zu seiner Honda. In seiner Erinnerung sah er Kealey als einen Mann, der sich mit unvergleichlichem Einsatz für seine Soldaten engagiert hatte, doch da er in etlichen Einheiten gedient hatte, hätte es einer ganzen Reihe von Anrufen bedurft. Er hatte angestrengt nachgedacht, und dann war ihm die rettende Idee gekommen.
Es war ihm wie Schuppen von den Augen gefallen. Kealey war einst zum Oberkommandierenden von Fort Bragg gegangen, um ihm eine Idee zu unterbreiten, wie Geld für die Ranger Memorial Foundation gesammelt werden konnte, und diese Erinnerung hatte ihn auf die U.S. Army Rangers Association gebracht, wo er gerade angerufen hatte.
Zufrieden überquerte er die Francis Case Memorial Bridge,
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