Der amerikanische Architekt
Amerika, dass wir keinen Augenblick dachten, dein Name könne in irgendeiner Weise hinderlich für dich sein. Und jetzt –« Er verstummte, senkte den Kopf und drückte die Hände auf die Augen. »Du bist nicht für diese Reaktionen verantwortlich, Mo. Und doch bist du, mein eigener Sohn, Auslöser für meine Zweifel. Zum ersten Mal zweifle ich daran, ob dieses Land wirklich einen Platz für uns hat.«
»Baba, bitte«, sagte Mo mit weicher Stimme. »Natürlich hat es das. Aber manchmal muss Amerika auch einen Schubs versetzt bekommen, muss man es daran erinnern, was es ist.«
»Sieh dir an, was aus deinem Leben geworden ist.« Salmans ausgebreitete Arme mit den nach oben gekehrten Handflächen waren eine flehentliche Bitte an das leere Zimmer.
Das Buffet war reich beladen mit Fleisch, Pita, Salaten, Datteln, gebackenem Schafskäse. Mo hielt sich an seine Eltern, nickte bekannten Gesichtern zu und registrierte enttäuscht, dass Laila nicht unter ihnen war. Er wusste nicht, ob er selbst oder der Rat der Grund dafür waren. Der Bürgermeister hielt eine kurze Ansprache, in der er weder Mo noch die Gedenkstätte erwähnte, und sagte, man müsse sich davor hüten, das Trauma der Anschläge dadurch zu verschlimmern, dass man der muslimischen Bevölkerung neue seelische Wunden zufügte.
Ein älterer Mann, den Mo im ersten Augenblick nicht einordnen konnte, kam auf ihn zu. Er trug einen grauen Bart, aber keinen Schnurrbart. Mo hielt ihm die Hand hin. Sie wurde nicht ergriffen.
»Ich hoffe, Sie sind zufrieden«, sagte der Mann mit bedeutungsschwerer Stimme. Er war bei seinem ersten Besuch im MACC -Büro dabei gewesen, erinnerte sich Mo. Tariq.
»Zufrieden? Womit?«
»Mit dem, was Sie ausgelöst haben, mit der Lage, in die Sie uns gebracht haben. Ehe Sie aufgetaucht sind, wäre es schockierend und inakzeptabel gewesen zu sagen, dass wir der Feind sind. Jetzt ist überhaupt nichts mehr dabei.«
»Das ist doch nicht meine Schuld«, sagte Mo und bedauerte nur, dass sein Vater das alles mitbekam.
»Sie haben Ihren Standpunkt klargemacht. Sie haben gewonnen. Jetzt könnten Sie einen Rückzieher machen.«
»Nein, nein. Wir müssen auf die Angriffe reagieren, wir dürfen jetzt nicht einfach nachgeben.« Issam Malik, der bisher den Bürgermeister mit Beschlag belegt hatte, war wie durch Zauber an Mos Seite aufgetaucht.
»Darauf reagieren oder Kapital daraus schlagen?«, kam es von Tariq.
»Was soll denn das heißen?«, wollte Issam wissen.
»Nur dass wir anscheinend auf dem Rücken dieser Kontroverse eine Menge E-Mails verschicken, in denen wir um Spenden bitten. Eine Menge E-Mails, in denen betont wird, wie oft der MACC – beziehungsweise wie oft Issam Malik – in der Presse auftaucht. Alles schön und gut. Aber gleichzeitig gibt es Leute, die unseren Frauen die Kopftücher abreißen, und im Gegenzug werden unsere jungen Leute immer mehr radikalisiert, was kein Wunder ist. Das alles wird ein böses Ende nehmen.« Er wandte sich an Mo. » Sie führen uns einem bösen Ende entgegen. Sie, nicht die Terroristen, haben unsere Religion als Geisel genommen. Die Terroristen waren zumindest gläubig. Welche Entschuldigung haben Sie?«
»Es tut mir leid, aber Sie können keine solchen Beschuldigungen gegen ihn erheben.« Alle Augen richteten sich auf Salman – wer war dieser Mann?
»Mein Vater«, murmelte Mo.
»Er verteidigt nur seine Rechte, seine Rechte als Amerikaner«, fuhr Salman fort. »Sie können ihn nicht dafür verantwortlich machen, wie die Leute darauf reagieren.«
»Er hat diese Rechte, da sind wir uns alle einig, und das ist die Botschaft, die alle Nicht-Muslime hören sollten.« Jamilah, die Vizepräsidentin des MACC , war zu ihnen getreten. Sie klang an diesem Abend selbstbewusster als an dem Tag des ersten MACC -Treffens. »Aber unter uns gesagt« – sie wandte sich an Mo –, »finde ich, wenn Sie Ihren Entwurf jetzt zurückziehen würden, würden Sie damit zeigen, dass wir mehr an Versöhnung als an Konfrontation interessiert sind.«
»Wieso ist es immer unsere Aufgabe, das zu zeigen?«, fragte eine andere Frau. Ihr Kopftuch, kanariengelb, hatte ein kompliziertes, verschlungenes Linienmuster, das einerseits an kalligrafische Schriftzeichen, andererseits an wirbelnde Herbstblätter erinnerte. Mo konnte den Blick nicht davon abwenden.
»Genau«, stimmte Malik ihr zu. »Die wahren Extremisten sind die, die gegen ihn sind. Und wenn es ihnen gelingt, Mohammad zu zwingen, seinen Entwurf
Weitere Kostenlose Bücher