Der amerikanische Architekt
ihre Formulierung und erkannte dann, dass sie eine großartige Schlagzeile abgeben würde: »Mysteriöser Muslim lüftet Schleier«. Sie könnten das Skimaskenfoto und das von Khan nebeneinander bringen. Sie schickte eine schnelle E-Mail an ihren Chefredakteur und hoffte, ihr Einfall würde ihn vergessen lassen, dass sie keine Exklusivstory mehr hatte.
Als sie ihren Artikel fertig hatte, fing sie an, über Khan zu recherchieren. Die Zeitung hatte bereits jemanden zu seiner Arbeitsstelle und zu seiner Wohnung geschickt, also hielt sie sich an ihren Computer, gab seinen Namen bei Google ein und erhielt 134.000 Treffer. »Mohammad Khan«, anscheinend der »John Smith« der muslimischen Welt. Die lobenden Erwähnungen der Arbeiten des richtigen Mohammad Khan würden im besten Fall mäßigen Stoff abgeben. Der Rest der Einträge bezog sich auf Herrscher und Ärzte namens Mohammad Khan, auf Geschäftsleute und Dörfler, Helden und Kriegsverbrecher, eine gobale Gemeinschaft nur dem Namen nach. Sie überflog interessante Zeitungsartikel (»Taxifahrer Mohammad Khan hörte auf die Stimme seines Gewissens und gab eine vergessene Tasche mit Goldschmuck an den Besitzer zurück«) oder Einträge, die ihre Neugier weckten (»Mohammad Khan, Sohn von Firoz, widmete seine Zeit ausschließlich seinen Vergnügungen«). Es gab eine Ordnung in der Ordnung, eine verborgene Hierarchie, die allerdings nur Google oder seine Algorithmen kannten.
Sie setzte ihre Suche in verschiedenen der Öffentlichkeit zugänglichen Archiven fort. Datenbanken der Polizei ergaben nichts, aber im Geschäftsregister fand sie »K/K-Architekten«, eingetragen unter den Namen Mohammad Khan und Thomas Kroll. Auch Kroll arbeitete für ROI , wie eine schnelle Suche im Netz ergab, was bedeutete, dass es sich bei seinem Partner um ihren Mohammad Khan handeln musste. Erleichterung durchflutete sie – sie hatte immerhin etwas gefunden –, dann Panik, andere Reporter könnten auf dieselbe Spur gestoßen sein. Da sie Kroll bei ROI nicht erreichen konnte, suchte sie seine Privatadresse heraus, eine Adresse in Brooklyn, die mit der übereinstimmte, die für K/K-Architekten angegeben war. Sie griff nach dem Telefon, um anzurufen, überlegte es sich aber anders. Falls Kroll einfach auflegte, hatte sie Pech gehabt. Mit wild klopfendem Herzen nahm sie die U-Bahn nach Brooklyn und betete, dass niemand schneller gewesen war als sie.
Thomas Kroll lebte in einem Haus am Eastern Parkway, das einmal bessere Zeiten gesehen hatte. Früher sicherlich imposant und elegant, wirkte es jetzt ziemlich heruntergekommen. Die Eingangshalle war nur spärlich beleuchtet, der Portier, ein Inder oder etwas Ähnliches, resolut: »Nein, Madam, nein. Sie können nicht unangemeldet nach oben gehen.«
»Aber er erwartet mich«, sagte sie. Dann: »Es soll eine Überraschung sein.« Sie überlegte, ob sie ihm einen Zwanziger zustecken sollte, fürchtete aber, es könnte genau das Falsche sein. Als er zum Telefon griff, um Kroll anzurufen, überflog sie die Seite in seiner Kladde, die er dazu aufschlug, entzifferte auch verkehrt herum die Apartmentnummer: 8D, und steuerte mit schnellen Schritten auf den Aufzug zu. Wie gehofft legte er den Hörer auf, um ihr nachzulaufen. »Madam, bei allem Respekt, Sie können nicht einfach – Madam, entschuldi –« Die sich schließende Tür des Aufzugs schnitt ihm das Wort ab.
Als sie an der Wohnung ankam, wurde sie bereits von einer Frau erwartet – Krolls Ehefrau, vermutete sie –, die mit vor der Brust verschränkten Armen in der Tür stand.
»Wer sind Sie?« Die Stimme war aufgebracht, der Gesichtsausdruck verstört. Nein, streitlustig. Die Haare hingen in einem schiefen Knoten, die rechte Hand umklammerte ein rotes Spielzeugauto wie eine Waffe.
»Alyssa Spier von der New York Post .« Ausgesprochen mit der Autorität eines Steuerfahnders. Als hätte die Frau keinerlei Recht, ihr den Zutritt zu verweigern.
»Na super. Thomas, es geht los«, rief sie in die Wohnung hinter sich. »Die Boulevardpresse ist hier. An unserer Tür.« Mit giftigem Blick drehte sie sich wieder zu Alyssa um.
Ein Mann mit braunen Haaren, die ihm in müde Augen hingen, kam an die Tür. »Gehen Sie«, sagte er. »Wir haben nichts mit dieser ganzen Sache zu tun.«
»Ich habe eine Firmenregistrierung mit Ihrem Namen gefunden und mit dem von Mohammad Khan«, sagte sie und blätterte durch ihre Notizen. »K/K-Architekten.«
Seine milchige Haut wurde noch blasser. »Das wollen
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