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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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Kindern bei, sich zu benehmen.«
    »Ist Ihnen vielleicht schon mal der Gedanke gekommen, dass sich meine Jungs wegen dem, was passiert ist, so benehmen, wie sie es tun?«, kam es von Jane. »Ich will ja gar nicht so tun, als wären sie vorher Engel gewesen, aber es war viel einfacher mit ihnen. Seitdem sind sie völlig anders.« Claire spürte einen unbehaglichen Stich des Erkennens. Sie selbst fragte sich oft, wie William wohl wäre, wenn er den Vater nicht verloren hätte. Weniger weinerlich vielleicht, dafür sorgloser, unbeschwerter.
    »Hunderte von Beratungsstunden«, sagte Jane. »Und jetzt soll ich ihnen einen Haufen Mist darüber erzählen, was für ein großartiges Land Amerika ist, weil es genau den Leuten, die ihren Vater ermordet haben, erlaubt, eine Gedenkstätte für ihn zu bauen? Und ausgerechnet auch noch einen islamischen Garten.«
    »Aber es sind nicht dieselben Leute – das ist doch der springende Punkt!«, sagte Claire. »Und es gibt keinen Beweis dafür, dass der Garten ein islamischer Garten ist. Und selbst wenn, könnte er trotzdem etwas Gutes sein. Sogar eine Geste des Friedens.«
    »Versuchen Sie doch mal, das einem Achtjährigen zu erklären. Oder haben Sie es versucht? Haben Sie William Ihren kleinen Vortrag in Sachen Staatsbürgerkunde gehalten?«
    Plötzlich stand William hinter ihr. Oder hatte er schon die ganze Zeit dort gestanden? Was hatte er gehört? »Wo ist deine Schwester?«, fragte sie ihn.
    »Bei-den-Mädchen-beim-Kuchen«, sagte er, alle Worte zusammenziehend. Und obwohl Claire nicht gefragt hatte: »Alles in Ordnung.« Seine Füße schienen wie am Boden angenagelt, und während er zwischen Claire und Jane hin und her sah, erinnerte sein Ausdruck sie an die Hirsche in Chappaqua, an die Art, wie sie immer kurz zögerten, mit einem Ausdruck, der sehnsüchtig, neugierig und ängstlich zugleich war, bevor sie die Flucht ergriffen. Aber William wollte nirgendwohin. Er schien wie gebannt vom Anblick seiner in ein Streitgespräch verwickelten Mutter.
    »Was stimmt nicht mit dem Garten?«, fragte er.
    »Nichts«, sagte Claire.
    »Sagen Sie es ihm«, sagte Jane.
    »Es gibt nichts zu sagen.«
    »Lassen Sie ihn das beurteilen.«
    »Sie wollen diese Frage in die Hände eines Sechsjährigen legen?«
    »Er versteht sie vielleicht besser als Ihre Jury.«
    »Meine Damen«, unterbrach Nell die Debatte. Sie hatte einen frischen Wodka-Tonic für Claire mitgebracht und sprach ein bisschen schleppend. »Vielleicht wäre es besser, diese Diskussion ein andermal fortzusetzen?«
    Claire sah, dass die Hansen-Zwillinge nun neben William standen, alle drei Jungen anscheinend vereint in skeptischer Verwirrung.
    »Du hast recht, Nell«, sagte sie. »Jane, es tut mir leid – wegen allem. Wir reden ein andermal. William, komm, wir sehen nach deiner Schwester.«
    Hand in Hand gingen sie davon. Claires Knie fühlten sich ganz weich an. Vielleicht zogen Veranstaltungen wie diese einen ganz bestimmten Typ von Leuten an, die Konformisten, die Vertreter der Mehrheitsmeinung. Nonkonformisten waren zu klug, um die Tröstungen von Gruppen zu suchen.
    »Was stimmt nicht mit dem Garten?«, wiederholte William seine Frage von vorhin.
    »Nichts. Aber manche Leute hätten lieber eine andere Gedenkstätte«, antwortete sie.
    »Warum?«
    »Weil sie den Mann, der den Garten geplant hat, nicht mögen.«
    »Warum nicht?«
    »Aus keinem vernünftigen Grund, William. Deshalb haben wir uns gestritten.«
    Cals Stimme drängte sie, den Weg bis zu Ende zu gehen, aber hätte er an ihrer Stelle die Kinder dorthin mitgenommen, hätte er sich für Mohammad Khan ins Exil begeben? Cals Überzeugungen hatten ihn kaum mehr gekostet als Geld. Eine Meinung, für die man auf einer Dinnerparty eintrat, eine Richtung, in die man Spenden kanalisierte, ein Kästchen, das man bei der Wahl ankreuzte. Kinkerlitzchen. Ein bisschen noblesse oblige. Mit diesen Ausdrücken hatte Cals Mutter das Bridgeporter Progamm für Teenager-Mütter abgetan. Cals mutigster Schritt war der Austritt aus dem Golfclub gewesen. Aber bei aller Ehrenhaftigkeit war auch das kein besonders großes Opfer gewesen. Er hatte nicht gern genug gespielt, als dass der Austritt wirklich ein Verzicht gewesen wäre.
    Am liebsten wäre Claire auf der Stelle von Bord gegangen, aber da sie das nicht konnten, sagte sie einem Besatzungsmitglied, sie fühle sich nicht wohl. Der Mann führte sie in eine luftlose Kabine, in der sie und die verwunderten Kinder, die schon in ihren

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