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Der amerikanische Buergerkrieg

Der amerikanische Buergerkrieg

Titel: Der amerikanische Buergerkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hochgeschwender
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Nachschub zu versorgen. Allerdings wurde häufig minderwertige und fehlerhafte Ware geliefert, was zum Teil auf technische Probleme in der Produktion, zum Teil aber auch auf Korruption, Vetternwirtschaft und Mißmanagement zurückzuführen war. Bei Soldaten, die der Demokratischen Partei nahestanden, führte dies, nachdem die erste patriotische Kriegsbegeisterung 1862 verflogen war, zu beständigen Unruhen. Sie konnten sich des Eindrucks nicht erwehren, daß diejenigen, die wie ein John D. Rockefeller, ein Andrew Carnegie, der das militärische Telegraphensystem organisierte, oder gar ein John Pierpont Morgan vom Bankhaus Drexel, Morgan und Co. einfach daheim blieben, die wahren Gewinner dieses Krieges seien. Da viele dieser Kriegsgewinnler zudem Abolitionisten aus der Mittelklasse waren, die selten oder nie an Kampfhandlungen teilnahmen, verdichtete sich bei manchen Soldaten der Unionsarmee das unbehagliche Gefühl, Drückeberger und Spekulanten würden sie an der Front verheizen und ihre eigenen Interessen auf Kosten der Armen gewinnträchtig durchsetzen. Ähnliche Gefühle fanden sich in den konföderierten Streitkräften. Im Unterschied zu den folgenden Kriegen, die ganz ähnliche Vorbehalte hervorbrachten, waren die Vorwürfe des Spekulantentums allerdings noch nicht antisemitisch motiviert, sondern entsprangen diffusen Klassenvorbehalten gegenüber «den Reichen». Insgesamt wird man gleichwohl sagen dürfen, daß die nordamerikanische Industrie, trotz der strukturell defizitären Ausgangsbedingungen, sehr wohl in der Lage war, die Grundbedürfnisse der Unionssoldaten zu erfüllen.
    Interessanterweise hatte der Bürgerkrieg jedoch nicht den Einfluß auf die Industrialisierung, den man theoretisch von ihm erwartet hätte. Noch vor wenigen Jahrzehnten hatten Historiker in diesem Zusammenhang gerne von der «zweiten amerikanischen Revolution» gesprochen. Sie waren davon ausgegangen, daß die durch den Krieg induzierte Nachfrage die industrielle Produktion im Norden regelrecht angeheizt hätte. Dem aberwar nicht so. Ganz im Gegenteil stagnierte, verglichen mit den Jahrzehnten der Antebellumära und des
Gilded Age
ab 1877, die Industrieproduktion in den gesamten USA. Dies schien zu belegen, daß der Bürgerkrieg gerade kein totaler Krieg, sondern, überspitzt gesagt, ein Krieg der vorindustriellen Vormoderne gewesen war, in dem auf beiden Seiten schlecht ausgerüstete Soldaten mit mangelhafter Technologie einen Krieg des 18. Jahrhunderts führten. Beide Positionen werden der Realität des Krieges nicht völlig gerecht. Tatsächlich hielt sich der industrielle Charakter des Bürgerkrieges im Vergleich mit dem 20. Jahrhundert und seinen Weltkriegen in überschaubaren Grenzen. Zieht man allerdings das 18. und frühe 19. Jahrhundert hinzu, sieht das Bild erheblich differenzierter aus. Man wird am ehesten von einem Krieg sprechen können, der einen Übergang zum modernen, industriellen und technologischen Krieg mit vormodernen Organisationsmitteln markierte.
3. Zögerlicher Beginn:
Die Ereignisse der Jahre 1861 und 1862
    Im Norden konnte man die Sezession des tiefen Südens kaum anders denn als Verrat auffassen. Mochte die Frage ungeklärt sein, ob Staaten das Recht hatten, aus der Union auszutreten, faktisch kam dies für die Mehrheit der Menschen längst nicht mehr in Frage. Zudem waren viele von ihnen, selbst kluge politische Beobachter, von der Radikalität der südstaatlichen Reaktionen auf die Wahl Lincolns überrascht. Der neue Präsident hatte ja noch nichts Konkretes getan, und sein bisheriges Verhalten ließ kaum auf einen ausgeprägten Radikalismus schließen. Er hatte noch nicht einmal sein Amt angetreten. In Washington regierte noch sein Amtsvorgänger Buchanan, der es fertigbrachte, die Sezession zu verwerfen, gleichzeitig aber prinzipiell das Recht auf Austritt aus der Union zu bejahen. In aller Öffentlichkeit erklärte er die Abolitionisten zu den Hauptschuldigen am gegenwärtigen Zustand. Vor allem aber wollte er den Bürgerkrieg vermeiden und keine Gewalt anwenden. Immerhin befahl er, die Garnison in der kleinen, noch nicht fertiggestelltenFestung Fort Sumter in der Hafeneinfahrt von Charleston, South Carolina, um 200 Mann zu verstärken, obwohl die Emissäre South Carolinas ihn bestürmten, diesen Unionsstützpunkt zu räumen. Aber Buchanan und eine ganze Reihe anderer Politiker ließen sich nicht allein von ihren Sympathien für die Sache des Südens leiten. Noch waren in den Sklavenstaaten des

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