Der Anfang aller Dinge: Roman (German Edition)
zwischen Liv und Brian hin und her. Sie berichtete über die Konferenz der Schulbehörde, ohne ein Komma auszulassen, obwohl der physische Druck durch Thorpes Anwesenheit, der sie mit Sicherheit keine Sekunde aus den Augen ließ, schwer auf ihr lastete.
Sie überbrachte die deprimierende Nachricht von der sechsprozentigen Preissteigerung. Ihres Wissens nach kam Thorpe nie vor oder während einer Sendung ins Studio. Warum saß er nicht oben hinter seinem Schreibtisch und feilte seine hochintelligenten Beiträge zurecht?
Die schmerzhafte Verspannung, die sich in ihrem Nacken aufgebaut hatte, verstärkte sich noch, als der Werbeblock eingeschaltet wurde. Liv wusste, ohne in seine Richtung sehen zu müssen, dass Thorpe auf sie zukam.
»Guter Sprachstil, Liv«, meinte Thorpe. »Exakt, gelassen und sauber.«
»Danke.« Der Sportreporter nahm seinen Platz am Ende des Tischs ein.
»Gehst du heute Abend zu der Bridge-Party bei den Ditmyers?«
Es gab wirklich nichts, was Thorpe nicht wusste, musste Liv feststellen und faltete die Hände über ihrem Manuskript. »Ja.«
»Soll ich dich mitnehmen?«
Jetzt begegnete sie seinem Blick direkt. »Bist du auch eingeladen?«
»Ich hole dich um halb acht ab. Vorher essen wir noch irgendwo eine Kleinigkeit.«
»Nein.«
Er kam ein wenig näher. »Ich kann es einrichten, dass wir beim Bridge Partner sind.«
»Dann verlierst du«, entgegnete sie. Noch nie hatte ein Werbeblock so lange gedauert, dachte sie.
»Nein«, erklärte er im Brustton der Überzeugung. »Ich werde nicht verlieren.« Er küsste sie rasch, ehe sie es verhindern konnte, und schlenderte dann lässig vom Set.
Dreißig Sekunden.
Liv starrte grimmig vor sich hin, als die Studiotür hinter ihm zufiel. Ohne sich umblicken zu müssen, spürte sie die neugierigen Blicke ihrer Kollegen, die sich auf sie konzentrierten. Thorpe hatte den Ball erfolgreich ins Rollen gebracht. Und der Gerüchteküche Tür und Tor geöffnet.
Zehn Sekunden.
Wutentbrannt schwor sie sich, dass er dafür bezahlen würde.
Einsatz.
Punkt acht Uhr traf Liv vor der Ditmyerschen Villa ein. Wegen des Bridgespielens war sie freilich nicht gekommen, denn die steifen, langweiligen Bridgeabende ihrer Mutter waren ihr noch in lebhaftester Erinnerung. Liv dachte vielmehr an Myras knallroten Lippenstift und deren lockere Zunge, die in
der Damentoilette der kanadischen Botschaft so unbekümmert geplaudert hatte. Liv drückte die Klingel und lächelte. Dass Myra Ditmyer so steife Partys wie ihre Mutter gab, konnte sie sich nicht vorstellen. Außerdem, wie oft hatten Reporter das Glück, in das Haus des Obersten Richters des Supreme Court eingeladen zu werden, wenn ihr Name nicht gerade T.C. Thorpe lautete?
Bei dem Gedanken an Thorpe runzelte sie unwillkürlich die Stirn, setzte jedoch sofort wieder ein Lächeln auf, als die Tür geöffnet wurde.
Liv wurde von einer Hausangestellten empfangen, doch gleich darauf kam Myra persönlich durch das Foyer auf sie zu geeilt. Es war offensichtlich, dachte Liv schmunzelnd, dass Myra eine Frau war, die sich nichts entgehen ließ.
»Guten Abend, Olivia«, zwitscherte Myra, ergriff ihre beiden Hände und drückte sie beinahe mütterlich. »Ich freue mich, dass Sie es einrichten konnten. Ich habe gern schöne Frauen in meiner Nähe. Früher war ich selbst einmal eine.«
Unter fröhlichem Geplauder geleitete sie Liv durch die große Eingangshalle. »Ich habe Ihre Nachrichtensendung gesehen. Sie sind gut.«
»Vielen Dank.«
Myra dirigierte Liv in den Salon. »Sie müssen unbedingt Herbert kennen lernen«, fuhr sie fort. »Ich habe ihm von der Teegesellschaft im Hause Ihrer Eltern und Ihrem zerrissenen Kleidchen erzählt, aber er kann sich nicht mehr daran erinnern. Herbert hat so viele wichtige Dinge im Kopf. Da vergisst er mitunter Kleinigkeiten.«
Ganz im Gegensatz zu seiner Gemahlin, dachte Liv bei sich, während Myra sie im Laufschritt durch den Salon zerrte. Es war ein sehr großer Raum, bei dessen Einrichtung weder an farbenprächtigen Akzenten noch an stark ornamentierten Tapeten gespart worden war. Liv fand, dass dieser Salon perfekt mit dem Temperament ihrer Gastgeberin harmonierte.
»Herbert.« Myra riss ihren Gemahl ohne auch nur eine Sekunde zu zögern aus einer angeregten Unterhaltung. »Du musst unbedingt die reizende Ms. Carmichael kennen lernen.
Sie moderiert die Nachrichten von … Wie heißt der Sender noch mal, meine Liebe?«
»WWBW.« Liv bot Richter Ditmyer ihre Hand an. »Wir sind
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