Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
Samstag, als Sie vorbeikamen, haben wir darüber nicht gesprochen, aber übers Wochenende habe ich nachgedacht und … Was ich sagen will: Ich hatte den Eindruck, dass wir nach dem Tumult in der Folge von Ros Prozess so etwas wie eine persönliche Beziehung entwickelt hatten.«
Glitsky wägte seine Worte vorsichtig ab. »Wenn ich mich recht erinnere, tranken wir danach ein paarmal miteinander Kaffee.«
»Soweit ich mich erinnere, Kommissar, tranken Sie Tee.«
»Richtig. Trinke ich noch immer.«
»Nun, ich hatte den Eindruck, dass wir damals gewisse Gemeinsamkeiten feststellten, weil wir beide von den Curtlees schikaniert wurden. Und deshalb fragte ich mich, ob wir uns nicht vielleicht noch einmal zu einem inoffiziellen Gespräch zusammensetzen könnten.«
»Über den Fall Ihrer Frau?« Glitsky zog einen Notizblock heran.
»In gewisser Weise, ja. Ich hatte den Eindruck – und ich weiß, dass ich das schon am Samstag hätte ansprechen sollen –, dass Sie in mir einen Verdächtigen sehen.«
Den Gedanken, dass Michael Durbin zum Kreis der Verdächtigen zählen könnte, hatte Glitsky eigentlich nie ernsthaft verfolgt, und er verspürte eine kurze innere Zufriedenheit, dass er seine Neutralität so überzeugend unter Beweis gestellt hatte. Aber er wollte derartige Gedanken nicht unbedingt mit seinem Gegenüber teilen. »Mr. Durbin«, sagte er. »Ich habe gerade erst mit der Untersuchung begonnen. Es gibt zu diesem Zeitpunkt eine unbegrenzte Anzahl von Personen, die als Verdächtige …«
»Warten Sie! Nein, nein und nochmals nein. Sie können mich einfach nicht in den Kreis der Verdächtigen aufnehmen, weil ich nicht dazugehöre. Ich kann kein Verdächtiger sein, Lieutenant, und das wissen Sie auch.«
»Woher weiß ich das?«
»Weil Sie mich nach Ros Prozess kennengelernt haben, und ich habe mich seitdem nicht verändert. Sie wissen, dass ich kein Killer bin. Ich könnte nicht mal einer Fliege etwas zuleide tun. Ich habe meine Frau weder getötet noch sie verbrannt.«
»Wir wissen nicht mal, ob es das Feuer war, durch das sie umgekommen ist, Sir, oder ob jemand sie erst ermordet und dann verbrannt hat. Wir hoffen, in Kürze Erkenntnisse aus dem Labor und der Autopsie zu bekommen, und danach werden wir wohl konkretere Ansätze für die Ermittlungen haben.«
»Gut, verstanden, aber die Untersuchungen sollten mich aus dem Kreis der Verdächtigen von vorneherein ausschließen. Und ich meine wirklich, dass Sie das in Erwägung ziehen sollten. Zumal wir doch beide nur zu gut wissen, wer für die Tat verantwortlich ist.«
»Nämlich?«
»Kommen Sie, Lieutenant. Denken Sie doch mal nach.«
»Ich habe in letzter Zeit kaum was anderes getan.«
»Und der Name Ro Curtlee ist Ihnen nie in den Sinn gekommen?«
Glitsky antwortete nicht.
Was wiederum Durbin veranlasste, seinen Gedankengang fortzusetzen. »Zugegeben, vielleicht liegt es nicht gleich auf der Hand. Ich räume auch ein, dass mir der Gedanke erst gestern kam – wahrscheinlich, weil Sie mich vorher mit Ihren Fragen derart aufgewühlt hatten …«
»Warum sollte Ro Ihre Frau umbringen?«
»Um es mir heimzuzahlen. Genau so, wie er es der anderen Frau, der Zeugin, heimgezahlt hat.«
»Gut, aber sie hätte wieder gegen ihn aussagen können, sie war für ihn eine konkrete Bedrohung. Ihre Frau stand in keinerlei Verbindung zu ihm und hätte keinen Einfluss auf seine Zukunft gehabt. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.«
»Ich bin mir sicher, dass er es ist. Hören Sie, ich war bei der Kautionsanhörung letzte Woche – und weiß inzwischen auch, dass das dumm von mir war, aber als er sich umdrehte, schaute er mir direkt in die Augen. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass er mich erkannt hat – und in dem Augenblick auf die Idee kam, sich für den Prozess zu rächen.«
Glitsky wurde hellhörig. Ihm wurde klar, dass dies genau die Art von Spur war, die er sich für den Verlauf der Ermittlungen erhofft hatte. Durbins Information kam aus einer unabhängigen Quelle und führte zu Ro, ohne dass Glitsky und die Polizei dabei involviert waren. Es war eine legitime Aussage, die er verfolgen musste, selbst wenn er noch nie im Leben von Ro Curtlee gehört hätte. »Das ist eine provokante Theorie«, sagte er schließlich.
»Es ist verdammt mehr als das. Ich wette mit Ihnen um jeden Preis, dass es sich so abgespielt hat.«
»Nun, hoffen wir, dass wir es auch beweisen können.«
»Aber nicht, wenn Sie mich in Ihrem Hinterkopf noch als Verdächtigen führen. Um
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