Der Angriff
schwarzes Haar bildeten einen starken Kontrast zu dem maßgeschneiderten weißen Hemd.
Zu seiner Linken ragte das Washington Monument in den nächtlichen Himmel empor. Dahinter zeigte sich die Kuppel des Jefferson Memorial über den Baumwipfeln, während weiter westlich, am Ende der Mall, die prächtigen Säulen des Lincoln Memorial zu sehen waren. Direkt gegenüber dem Hotel stand das Treasury Building, der Sitz des Finanzministeriums. Doch all das interessierte ihn wenig. Für ihn zählte einzig und allein jenes Gebäude, das sich neben dem Treasury Building erhob.
Er zog an der Zigarette und nahm sie mit einer langsamen, gelassenen Bewegung aus dem Mund. Während der Mann mit den dunklen Augen die geschichtsträchtige Umgebung betrachtete, hoben sich seine Mundwinkel ganz leicht an. Es war ein bitteres Lächeln. Rafik Aziz hasste alles, was er da sah, mit einer Leidenschaft, die kein Amerikaner je verstanden hätte. Die Monumente und Gebäude vor seinen Augen waren allesamt Symbole für den amerikanischen Imperialismus, für die Gier, die Verkommenheit und die Arroganz dieses Landes. All das hatte Verderbnis über seine Heimat gebracht und dafür gesorgt, dass Brüder gegeneinander die Waffen erhoben. Es gab sogar schon Leute in seinem Land, die davon sprachen, Frieden mit Israel zu schließen – mit den Zionisten, die mit der Unterstützung des mächtigen Amerika sein Beirut in eine Hölle verwandelt hatten. Es war wieder einmal Zeit – Zeit für eine neue Revolution. Es war Zeit, den Djihad zu entfachen.
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WASHINGTON D.C. 6 UHR 55
Der Großteil der über fünftausend Beamten des United States Secret Service beschäftigte sich vor allem mit der Bekämpfung von Banknotenfälschung und anderen Wirtschaftsverbrechen. Besser bekannt war diese Organisation jedoch dafür, dass sie Politiker beschützte – insbesondere den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Das Sonderkommando, das für den Schutz des Präsidenten zuständig war, umfasste zu jeder Zeit etwa zweihundert Agenten, deren Job zu den begehrtesten in der gesamten Branche zählte.
Secret-Service-Agentin Ellen Morton gehörte zu diesen Glücklichen. Auf ihrem Weg durch das Weiße Haus blieb sie bei dem kleinen Zimmer stehen, das im Erdgeschoss für das Sonderkommando des Präsidenten eingerichtet war und das als »Staircase« (Treppenhaus) bezeichnet wurde. Der Name des Zimmers kam von seiner Lage unterhalb der Treppe zu den Privaträumen der Familie des Präsidenten, die sich im ersten und zweiten Stock des Hauses befanden.
Ellen Morton stand in der Tür und blickte in das Zimmer hinein. »Morgen, Ted. Wie war die Nacht?«
Der Sicherheitsbeamte lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Herzhaft gähnend beantwortete er die Frage mit einem einzigen Wort: »Ruhig.«
Um der First Family eine gewisse Privatsphäre zu lassen, verzichtete der Secret Service darauf, den ersten und zweiten Stock zu betreten – es sei denn, man wurde gerufen. Dafür hatte man unter den Teppichen eine Reihe von Drucksensoren installiert, um stets verfolgen zu können, wo sich der Präsident gerade aufhielt.
»Ist er oben?«, fragte Ellen Morton.
»Ja. Der Steward hat angerufen und gesagt, dass er sich ankleidet. Einen Anzug.«
Um sieben Uhr morgens begab sich Präsident Hayes zumeist in den Westflügel, doch es kam auch vor – insbesondere nach einer Reise –, dass er in seinem privaten Fitnessraum im zweiten Stock ein wenig trainierte, ehe er gegen acht Uhr sein Büro aufsuchte. Die Agenten des Sonderkommandos hatten zumeist keine Ahnung, was passieren würde, bis der Navy-Steward anrief, um ihnen mitzuteilen, ob der Präsident Sportkleidung oder einen Anzug trug.
An der Überwachungsanlage im »Staircase«-Zimmer ertönte ein Piepton und ein rotes Licht begann zu blinken, was darauf hinwies, dass der Aufzug des Präsidenten unterwegs war. Ellen Morton nickte ihrem Kollegen zu und hob ihr Mikrofon an den Mund. »Horsepower, hier Morton. Woody ist auf dem Weg nach unten.« Horsepower war die Bezeichnung für die Zentrale des Sonderkommandos, die sich direkt unterhalb des Oval Office, des Arbeitszimmers des Präsidenten, befand.
Das Sonderkommando des Präsidenten war vor allem für die Sicherheit des Staatsoberhaupts zuständig, während sich um den Schutz des gesamten Gebäudekomplexes die Secret Service Uniformed Division kümmerte. Es gab eine zweite Zentrale im vierten Stock des Executive Office Building gegenüber dem Weißen
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