Der Angriff
unerwartet. Er hob seine Waffe und nahm den ersten der Männer aufs Korn, doch bevor er ihn ausschalten konnte, wurde der ERT-Mann von einer Kugel in den Kopf getroffen. Wenige Sekunden später lagen auch die übrigen drei ERT-Männer tot oder sterbend am Boden.
Bengazi sah mit Erleichterung, dass Salim Rusan seine Aufgabe höchst zufriedenstellend erledigte. Von seinem Posten auf dem Dach des Washington Hotels sollte er Bengazi und die anderen Männer unterstützen, während sie zum Westflügel hinüberstürmten.
»Granatwerfer!«, rief Bengazi seinen Männern zu.
Während er den Rasen nach weiteren Zielen absuchte, trat einer seiner Männer zu ihm, legte sich den Granatwerfer auf die Schulter und ließ sich auf ein Knie nieder. Der Mann zielte auf die Tür am anderen Ende des Säulengangs. Dem Klicken des Abzugs folgte ein Zischen und eine weitere ohrenbetäubende Explosion. Bengazi sprintete den Säulengang entlang, sein Gewehr auf den brennenden und rauchenden Eingang zum Westflügel gerichtet.
IM OVAL OFFICE
Der Fußboden bebte, und von der Decke des Oval Office bröckelte der Putz. Rafik Aziz hielt Russ Piper immer noch fest, das Messer an dessen Hals gepresst. Das Krachen von Gewehrschüssen sagte ihm, dass seine Männer schon ganz nah waren. Aziz war wütend auf sich selbst, weil er den Präsidenten hatte entwischen lassen. Er war so nah am Ziel gewesen.
Wenige Sekunden später kam Bengazi ins Oval Office gestürmt und schwenkte sein rauchendes Gewehr von einem Ende des Raumes zum anderen. Seine Männer folgten einige Sekunden später und sicherten den Flur.
Bengazi wagte nicht, nach dem Offensichtlichen zu fragen, als er seine Gasmaske vom Gesicht nahm und eine Pistole aus dem Schenkelholster zog, die er Aziz reichte.
Aziz zog Piper mit sich auf die Seite. Der Vorsitzende des DNC stolperte über einen Sessel und fiel zu Boden. Er stützte sich auf einen Ellbogen. Offensichtlich konnte er immer noch nicht glauben, was er da angerichtet hatte.
»Was haben Sie vor?«, rief Piper entsetzt. »Das kann doch nicht wahr sein!«
Ohne zu zögern richtete Aziz die Waffe auf Piper und drückte ab. Die Kugel traf den Politiker direkt zwischen den Augen; sein schwerer Kopf prallte dumpf am Boden auf. Eine Blutlache breitete sich über den teuren blauen Teppich aus.
»Darauf habe ich schon den ganzen Vormittag gewartet«, brummte Aziz. Dann streckte er die Hand aus. »Gib mir dein Funkgerät.« Bengazi drehte sich um, und Aziz löste das kleine Funkgerät von Bengazis Gefechtsweste. Mit der Pistole in der einen Hand und dem Funkgerät in der anderen ging Aziz zur Tür. »Der Präsident ist im Bunker. Schneidet ihm sofort die Funkverbindung ab, sichert das Gebäude und nehmt so viele Geiseln wie möglich.«
9
Der kleine Jet ließ die Weiten des Atlantischen Ozeans hinter sich, und die gezackte Küstenlinie der Chesapeake Bay kam in Sicht. Mitch Rapp blickte auf das vertraute Gewässer hinunter und spürte eine Entschlossenheit, die ihm noch wenige Stunden zuvor gefehlt hatte. Als Irene Kennedy angerufen und die bestürzenden Ereignisse im Weißen Haus geschildert hatte, war Rapp zutiefst schockiert gewesen. Seit zehn Jahren war er Rafik Aziz auf den Fersen und beobachtete genau das Treiben dieses Mannes; da waren die Entführungen in Beirut, Istanbul und Paris, die Bombenanschläge in Spanien, Italien, Frankreich, im Libanon und in Israel, und schließlich das Ereignis, das Rapp dazu gebracht hatte, seiner ungewöhnlichen Arbeit nachzugehen: der Anschlag auf jene PanAm-Maschine, die über Lockerbie abgestürzt war.
Obwohl Irene Kennedy ihm ganz klar gesagt hatte, dass Aziz das Weiße Haus praktisch in seiner Hand hatte, brauchte Rapp einige Minuten, um die Situation in ihrer ganzen Tragweite zu erfassen. Als er weitere Einzelheiten erfuhr, begannen sich seine Gedanken, die an diesem Morgen wie im Nebel versunken waren, wieder zu klären. Rapp sah in diesem furchtbaren Ereignis plötzlich eine Chance – eine Chance, endlich ans Ziel seiner langen Jagd zu gelangen. Er war es längst leid, immer wieder zu spät zu kommen und nur noch das Bild der Zerstörung mit ansehen zu können, die Aziz verursacht hatte.
Als sich das Flugzeug dem Air-Force-Stützpunkt Andrews näherte, wusste Rapp bereits ganz genau, was er zu tun hatte. In Paris hatte er gezögert, weil er eventuell einen unschuldigen Menschen gefährdet hätte. All die Menschen, die heute Vormittag bei dem Anschlag ums Leben gekommen
Weitere Kostenlose Bücher