Der Angriff
»Direktor Tracy, würden Sie mir vielleicht erklären, wie zum Teufel so etwas passieren konnte?«
Tracy stand schweigend am Rednerpult; die unerwartet aggressive Frage hatte ihn doch etwas aus dem Konzept gebracht. Vizepräsident Baxter sah ihn an und trommelte dabei mit den Fingern auf den Tisch. »Direktor Tracy«, sagte er schließlich, »Ihre Leute haben unser Land im Stich gelassen. Sie haben uns in eine äußerst missliche Lage gebracht, und jetzt stehen Sie da und wissen nicht, was Sie uns sagen sollen.« Baxter blickte in die Runde, um Zustimmung heischend. »Ich habe beschlossen, dass das FBI Ihre Leute ablösen wird, sobald Direktor Roach seine Truppe bereit hat«, fügte Baxter hinzu und wandte sich FBI-Direktor Roach zu.
Direktor Tracys Verlegenheit wich zunehmend einem Gefühl des Zorns. »Sir«, wandte er protestierend ein, »das Weiße Haus gehört zum Aufgabenbereich des Secret Service. Wir sind … «
Baxter fiel Tracy schroff ins Wort. »Ich habe mir von meiner Justizministerin sagen lassen, dass das Weiße Haus zwar normalerweise zum Aufgabenbereich des Secret Service gehört, dass es aber trotz allem ein Bundesgebäude ist – und somit ist das FBI zuständig.«
»Aber meine Männer kennen das Gebäude am besten«, wandte Tracy ein. »Außerdem werden Agenten von uns als Geiseln festgehalten … «
Baxter schüttelte energisch den Kopf. »Direktor Tracy, der Secret Service hat seine Chance gehabt, und er hat versagt … und zwar kläglich, wenn ich das so sagen darf.«
Der erniedrigende Tadel in der Öffentlichkeit ließ Tracy erröten. Er konnte einfach nicht glauben, was da vor sich ging. Dabei arbeitete er seit neunundzwanzig Jahren in Washington und hatte so oft erlebt, wie jemand aus viel nichtigerem Anlass den Löwen zum Fraß vorgeworfen wurde. Er hätte es wissen müssen, aber es war alles so schnell gegangen. In den vergangenen Stunden hatte er sich vor allem um das Schicksal seiner Leute gesorgt und nicht die politischen Konsequenzen des Ereignisses bedacht. Doch jetzt galt es, seine Ehre zu retten. »Wir haben heute das Leben des Präsidenten gerettet und mindestens achtzehn Leute verloren … Ich würde nicht sagen … «
Baxter knallte mit der Faust auf den Tisch und schnitt Direktor Tracy mit einer Wut, wie sie keiner der Anwesenden außer King und Tutwiler je an ihm gesehen hatte, das Wort ab.
»Sie haben das Weiße Haus aus der Hand gegeben und dem ganzen Land Schande gemacht!«, brüllte Baxter. Er atmete tief durch und fügte mit etwas ruhigerer Stimme hinzu: »Ich schlage vor, dass Sie von Ihrem Amt zurücktreten, bevor ich mich heute Abend in einer Ansprache an die Nation wende. Ich verstehe einfach nicht, wie Sie so etwas zulassen konnten.«
Der zähe Secret-Service-Direktor dachte jedoch nicht daran, klein beizugeben. Die Tatsache, dass einerseits einige seiner Leute ums Leben gekommen waren und dass andererseits nun er geopfert werden sollte, um die Medien zufrieden zu stellen, brachte ihn innerlich zum Kochen. Baxter hatte keine Ahnung, wie viel Überwindung man in diesem Job manchmal brauchte, um Männer wie ihn zu beschützen – Politiker, von denen manche weniger Skrupel besaßen als irgendein Zuhälter. Tracy starrte Baxter mit gerötetem Gesicht an. Er musste sich hier und jetzt entscheiden, ob er sich beugte und seinen Abschuss unterwürfig zur Kenntnis nahm, oder ob er aufstand und kämpfte. Er entschied sich für Letzteres. Das war er allein schon den Männern und Frauen schuldig, die unter seinem Kommando ums Leben gekommen waren.
»Ich werde Ihnen sagen, wie das passieren konnte«, erwiderte er. »Es konnte passieren, weil Sie und Ihre geschätzten Kollegen die Forderungen des Secret Service nach verstärkten Sicherheitsvorkehrungen immer wieder ignorieren.« Und mit noch lauterer Stimme fügte er hinzu: »Es konnte passieren, weil Ihr Vorsitzender in eurer Gier nach Spendengeldern die Sicherheitsvorkehrungen des Secret Service umgangen hat und den berüchtigtsten Terroristen der Welt ins Weiße Haus gebracht hat!«
»Jetzt reicht’s!«, rief Baxter erbost. »Direktor Tracy, Sie können jetzt Ihre Sachen packen und gehen!«
Tracy sah den Vizepräsidenten mit einem verächtlichen Blick an. »Schieben Sie nur die Schuld für das alles dem Secret Service in die Schuhe, wenn Sie heute Abend zur Nation sprechen. Und wenn ich morgen meine Pressekonferenz gebe, dann werde ich alle daran erinnern, was Sie im Wahlkampf über den Secret Service gesagt
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