Der Angriff
Verhandlungsmöglichkeit. Falls diese Forderung nicht erfüllt wird, werde ich jede Stunde eine Geisel töten, bis Sie einlenken. Ich sage noch einmal: Jeder Versuch, die Kontrolle über das Gebäude wiederzuerlangen, wäre zwecklos. Das berühmte Hostage-Rescue-Team des FBI kann es nicht mit meinen Männern aufnehmen – genauso wie Ihr viel gepriesener Secret Service uns nicht gewachsen war. In fünfzehn Minuten werde ich alle Verwundeten und Toten zum Westeingang bringen. Ärzte und Sanitäter in kurzärmeligen Hemden dürfen in Zweiergruppen kommen und die Toten und Verletzten wegbringen. Keine Geräte oder Taschen. Nur zwei Männer auf einmal, mit einer Trage. Wenn irgendetwas Auffälliges passiert, eröffnen wir das Feuer.«
Die Stimme hielt kurz inne und fügte dann in entschlossenem Ton hinzu: »Das Geld soll auf das folgende Konto überwiesen werden … «
Nachdem Aziz die Kontonummer angegeben hatte, wiederholte er seine Forderung, legte dann auf, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und überdachte zufrieden seinen Auftritt. Er hatte sie mit seinem Anruf überrumpelt und ihnen gezeigt, wer das Geschehen diktierte. Aziz wusste so sicher, als könnte er hellsehen, was morgen um neun Uhr passieren würde. Er hatte all die Bücher gelesen, die von ehemaligen FBI-Agenten über das Verhandeln mit Geiselnehmern geschrieben wurden, und vor allem wusste er, dass Vizepräsident Baxter nun am Ruder war, und mit ihm Justizministerin Tutwiler.
Aziz hatte sich eingehend über Margaret Tutwiler informiert. Über Internet war er an die Texte ihrer Vorträge und Vorlesungen herangekommen. Sie hatte die Vorgangsweise des FBI in Ruby Ridge und Waco ausgesprochen kritisch kommentiert. Margaret Tutwiler war der Ansicht, dass das FBI hätte versuchen müssen, Zeit zu gewinnen und die Freilassung der Geiseln zu bewirken, indem man auf kleinere Forderungen der Geiselnehmer einging.
Wie dumm von ihr, ihre Ansichten in der Öffentlichkeit zu verbreiten und ihm dadurch Gelegenheit zu geben, sie zu studieren, dachte Aziz. Diese Amerikaner waren satt und träge. Er wusste genau, wie sie vorgehen würde. Innerhalb von zwei Tagen könnte er mit ihr fertig werden, und wenn Baxter schließlich erkennen würde, dass es besser wäre, auf seine Generäle zu hören, würde es zu spät sein. Aziz würde den Präsidenten in seiner Gewalt haben und konnte dann seine letzte und größte Forderung stellen.
Präsident Hayes wandte sich Valerie Jones zu und fragte: »Was zum Teufel ist eigentlich passiert?«
Die beiden saßen nebeneinander auf der Couch. Valerie Jones schien sich ziemlich unwohl in ihrer Haut zu fühlen. Hayes hatte schließlich die erwartete Frage gestellt, und seine Stabschefin wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie schüttelte den Kopf und blickte zu Boden. »Ich weiß es nicht«, sagte sie.
Valerie Jones wusste, dass sie vielen nicht gerade sympathisch war, weil sie ziemlich hart und unnachgiebig sein konnte. Sie fand jedoch, dass das zu ihrem Job gehörte. Wenn sie als Türhüterin des Präsidenten jedem Wunsch, mit dem Präsidenten sprechen zu dürfen, nachgegeben hätte, dann würden bald doppelt so viele Anfragen kommen. Nein, sie wurde nicht dafür bezahlt, dass sie nett und geduldig war.
»Valerie, Sie müssen doch irgendeine Ahnung haben, wie das passieren konnte«, beharrte Hayes und fügte, als sie nicht antwortete, hinzu: »Was hat Russ zu Ihnen gesagt?«
»Er sagte, der Mann wäre ein reicher arabischer Prinz, der dem DNC eine Spende zukommen lassen wolle.«
»Ein Ausländer, der dem DNC etwas spenden will?«, fragte Hayes und schüttelte verärgert den Kopf.
»Russ hat gemeint, es wäre alles legal.«
Hayes runzelte die Stirn. »Ich habe euch doch gesagt: keine dubiosen Geschäfte. Ich will, dass alles transparent ist.« Er sprach nicht allzu laut, schien aber sichtlich verärgert.
Ohne aufzublicken antwortete Valerie Jones: »Es war sehr viel Geld und es sollte alles legal sein.«
Hayes hatte Mühe, sich zu beherrschen. Sein Gesichtsausdruck verriet der Stabschefin, dass die Höhe des Betrages die Sache in keiner Weise rechtfertigte. Sie erkannte, dass sie das Falsche gesagt hatte.
»In diesem Fall reicht es nicht, einfach nur ›Tut mir Leid‹ zu sagen«, beharrte er.
Sie sah ihn mit einem ziemlich mulmigen Gefühl an. »Was meinen Sie damit?«
»Es genügt nicht, ›Sorry‹ zu sagen und dann zur Tagesordnung überzugehen. Da sind Menschen gestorben, Val, und es wird viele
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